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Reden mit Korken im Mund und dem Gummiknüppel in der Hand

Erlebnisrhetorikschule eröffnete in Berlin eine Zweigstelle

  • Anja Probe
  • Lesedauer: 4 Min.
Deutschlands erstes Institut für Rhetorik und Kommunikation hat Berlin als zweiten Standort neben Bornheim (bei Bonn) auserkoren. Hier kann jeder, ob Student oder Manager, lernen, schlagfertig, fesselnd und überzeugend zu reden.
Motivation ist wichtig. Man muss sich sagen: Ich kann, ich will, ich werde!«, sagt Gabriele Zienterra, greift zu drei Bällen und jongliert sie geschickt durch die Luft. Gabriele Zienterra ist die Institutsleiterin. Zudem ergänzt sie die Seminare auf Englisch. Diese werden von ihrem Mann Günter und weiteren Fachdozenten gehalten, jeweils für maximal zehn Teilnehmer. Es hüpft also kein hyperaktiver Motivations-Guru à la Jürgen Höller über eine Bühne, brüllt »Chaka, Du schaffst es!« und motiviert hypnotisch lauschende Massen, die dafür Unsummen hingeblättert haben. Ihren Preis haben die Seminare natürlich auch. Für die viertägigen Lehrgänge zahlt der Teilnehmer zwischen 520 und 2200 Euro. 70Prozent kommen von Unternehmen, aber auch Juristen, Ärzte, Freiberufler, Studenten oder Karnevalsredner gehören zu den »Schülern« - Menschen, die andere begeistern müssen.
Der Rhetorikkurs beginnt um 9.03 Uhr und endet um 17.33 Uhr. Die Zeiten lösen Verwirrung aus, werden aber strikt beibehalten. Nach dem üblichen Kennenlernen, wird mit jedem einzeln gearbeitet. Viele haben Probleme, aus sich herauszugehen. »Eine Teilnehmerin war gekommen, weil sie jedes Vorstellungsgespräch versiebt hatte. Sie bekam vor Fremden kein Wort heraus«, berichtet Heiko Starck, der selbst einmal solch ein Seminar besucht hatte und nun Pressesprecher des Institutes ist. »Damals bekam ich von Herrn Zienterra einen Gummiknüppel in die Hand, mit dem ich aufs Pult schlagen sollte beim Reden«, erinnert sich Starck schmunzelnd. »Um das klarzustellen, bei uns geht es aber nicht darum, dem Gegenüber die Argumente um die Ohren zu hauen«, wirft Günter Zienterra ein.
Vermittelt werden Redetechniken, zielbewusste Gesprächsführung, wirkungsvolle Präsentationen und wie man Mitarbeiter motiviert. Dazu gehören dann so bekannte Trainingsmethoden wie das Sprechen mit einem Korken zwischen den Zähnen oder die Videoanalyse. Auch Schlagfertigkeit könne man lernen, ist der Seminarleiter überzeugt. Dazu gibt er einem Teilnehmer einen Text, den er nach einer entsprechenden Vorbereitungszeit vortragen soll. Während der Rede quatscht der Seminarleiter jedoch immer dazwischen, provoziert den Sprecher. Heiko Starck weiß aus eigener Erfahrung, dass dadurch ein innerlicher Widerstand entsteht, und irgendwann fliegen die Argumente und flotten Sprüche zurück.
Günter Zienterra ging beim Rhetoriker Alfred Rademacher in die Lehre: Sieben Jahre assistierte er dem Gustaf-Gründgens-Schüler bei seiner Seminararbeit in Köln und Bornheim. Sie entwickelten gemeinsam die Methode der »Erlebnis-Rhetorik«. Günter Zienterra ist seit 1989 alleiniger Lizenzträger der Erlebnisrhetorik. 1994 übertrug Alfred Rademacher dem ausgebildeten Psychologen und Schauspieler Günter Zienterra das Institut. 1998 kam seine Frau Gabriele dazu. Nach jahrelanger Berufserfahrung in vielen Ländern als Personalmanagerin eines großen Konzerns leitet sie Seminare zu internationaler Gesprächsführung und Präsentationstraining.
Viele der Teilnehmer kommen aus den neuen Bundesländern. Zudem hat sich die Nachfrage aus dem politischen Bereich mit dem Regierungsumzug nach Berlin verlagert, so dass ein zweiter Standort in der Hauptstadt nahezu Pflicht war. Die Resonanz ist groß. Bisher wurden 30000 Menschen in ihrer Kommunikationsfähigkeit geschult. »Viele rufen auch nach einem erfolgreichen Auftritt an, um davon zu berichten«, erzählt Gabriele Zienterra. Apropos Auftritt - schaudert es das redegewandte Ehepaar nicht allzu oft, wenn es den Fernseher einschaltet? »Vielen täte ein bisschen Training gut. Die Gesprächskultur in der Politik ist niveaulos«, kritisiert Günter Zienterra. Politiker, die sich in Seminaren schulen ließen, würden das allerdings nicht zugeben. Es könnte ja als Schwäche ausgelegt werden. »Wenn also Kanzler Schröder nach den TV-Duellen sagt, er sei nicht gecoacht worden, dann glaube ich das nicht«, merkt der Seminarleiter an. Seine Frau würde gern mal Angela Merkel in die Finger bekommen, um ihr mehr Ausstrahlung zu verpassen. Begeistert sind beide von Gregor Gysi. »Das ist ein wendiges Schlitzohr, das gefällt mir. Wenn der gefordert wird, ist er knapp und klar«, lobt Günter Zienterra. der gern mal mit dem PDS-Politiker diskutieren würde.

Institut für Rhetorik und Kommunikation, Geisbergstr. 39 (U-Bhf. Viktoria-Luise-Platz), 10777 Berlin. Infos und Buchung im Internet unter www.rhetorik-online.de oder Tel.: (030) 86423423. Anmeldung mindestens vier Wochen vor Seminartermin.

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