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  • Kultur
  • Eine populäre Fernsehreihe wurde zwanzig

Als Außenseiter immer noch Spitzenreiter

  • CLAUDIA WINTER
  • Lesedauer: 4 Min.

Lediglich die Kellerbar aus handumhäkelten Kohlen und der Wellensittich, der angeblich Außenseiter Spitzenreiter sagen konnte, stellten sich als Enten heraus. An-sonsten hatte der Kundendienst für Neugierige immer den richtigen Riecher, spürte Kuriositäten, liebenswürdige Merkwürdigkeiten und unglaubliche Sachen auf. Vor zwanzig Jahren, am 18. Juni 1972, gab es zum ersten Mal „Außenseiter Spitzenreiter“, und die Sendung avancierte zu einer der beliebtesten Unterhaltungen im Fernsehen. Als es bei Abwicklung des DFF darum ging, welche Sendungen wert wären, auch in den neuen Sendern präsent zu sein, lag „Außenseiter Spitzenreiter“ weit vorn. Das Geheimnis des Erfolges: Hans-Joachim Wolfram und sein Team suchen die Unterhaltung auf der Straße, im Alltag der Leute. Lachen mit ihnen und nicht über sie. „Dieses Prinzip, als Dokumentaristen in der Unterhaltung zu wirken,“ erzählt Hans-Joachim Wolfram, „haben wir auch nach der Wende beibehalten, weil die Sendung schon zur Biographie der Leute hier, in den neuen Bundesländern, gehört.“

Das mag wohl auch der Grund gewesen sein, warum die Sendung, als sie in der ARD lief, ein sehr geteiltes Echo fand. So ließ „Außenseiter Spitzenreiter“ von diesem Ost-West-Spagat vorerst ab. „Man spürt schon die unterschiedlichen Befindlichkeiten der Leute in Ost und West. Die Arbeitslosigkeit macht sich immer irgendwie bemerkbar. Nicht unbedingt vor der Kamera, sondern wenn wir mit den

Leuten nach dem Dreh reden, erzählen .sie uns von sich.“ Wenn plötzlich das einstige Hobby unfreiwillig zur einzigen Beschäftigung wird, hat es einen bitteren Beigeschmack. Doch langsam finden die Leute ihren Humor wieder, meint Wolfram. Er ist Berufsoptimist und lebt schließlich davon, seit zwanzig Jahren.

An die erste Sendung erinnert sich Wolfram noch genau, da wollte jemand wissen, ob denn Opernsouffleure vorsingen oder vorsagen? Beides. Erlebt hat Wolfram die Premiere während seines Urlaubs vor dem Fernseher des Revierförsters Pietsch in Leupoldishain. Die Feier zum zehnjährigen Jubiläum fand auf einem eigens dafür gemieteten Dampfer statt. Das zwanzigjährige wurde bescheidener begangen: Anstoßen mit ein paar Freunden im neueingerichteten Büro der Firma Media Effekt in der Berliner Rosenthaler Straße. Wolfram ist mit 57 Jungunternehmer. Das Vier-Mann-Team produziert für den MDR „Außenseiter Spitzenreiter“.

Doch selbst von solch einer populären Sendung allein scheint Wolfram nicht leben zu können. Dem Zug der Zeit folgend, ist auch er in die Werbung gegangen. Sein Feld: der Postdienst. So zieht er gemeinsam mit Christine Trettin-Errath auf einer Trucktournee durch die neuen Bundesländer. Zwar ist die Post nicht so schnell, aber schlau, weil sie sich einen beliebten Ossi holte, der als Mittler zwischen Postlern und Postempfängern fungiert. Wolfram verblüfft im Gespräch mit Fachbegriffen und ei-

nem sicher über das Honorar hinausgehenden Engagement für die Post. Auch das ist einsehbar. Was wäre Außenseiter Spitzenreiter ohne die Post der Zuschauer.

Rund 1000 Fragen sind in den Sendungen beantwortet worden. Die zweifellos bedeutendste Frage der jüngsten Zeit war die nach dem Mittelpunkt Deutschlands. Der liegt in Niederdorla bei Mühlhausen. Außenseiter Spitzenreiter hat es an den Tag gebracht. Abgewiesen wurde er bei seiner Fragetour nur zweimal, erinnert sich Wolfram. Einmal von einer älteren Dame, die ihr Heiligtum - ein Besteck, von dem Goethe gegessen haben soll -, nicht ohne weiteres vorzeigen wollte. Den zweiten Korb erhielt das Team von Professor Dathe, der nur seinen Chow Chow filmen ließ. Dauerbrenner in der Sommersaison waren jahrelang Hans-Joachim Wolles Interviews am FKK-Strand. Und bei der Frage, ob freitags wirklich gebadet wird, wurde Wolle samt Drehstab von der Dame des Hauses regelrecht ins Bad gezogen, wo sich der Herr des Hauses gerade einschäumte.

Bei der verblüffendsten Begegnung denkt Wolfram eine Weile nach, dann erzählt er von der in der DDR allseits bekannten Firma Kästner, die für Präservative immer so schön diskret warb. Natürlich wollten die Zuschauer Herrn Kästner mal kennenlernen. Und der alte Herr verblüffte Wolfram damit, daß er ihm seine wertvollste Urkunde zeigte: Eine Ehrenurkunde im „Mach Mit!“-Wettbewerb. Da war Wolfram sprachlos.

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