Pächter werden gleich mit verkauft

Künftig gibt es in der BRD nur noch vier große Autobenzin-Marken: Esso, BP, Shell und Total

  • Nina Auerbach
  • Lesedauer: 4 Min.
Der deutsche Tankstellenmarkt ist in Bewegung. Klar ist: der Markt konzentriert sich. Die Übernahmen lassen allerdings eine Reihe von Fragen offen - so zum Beispiel für die Tankstellen-Pächter.

Die Logos von DEA, BP, Elf, Fina und einigen anderen sind schon oder werden bald aus dem deutschen Straßenbild verschwunden sein. Aus dem Rot-Schwarz von DEA wird meist ein Shell-Gelb, aus dem Grün-Gelb von BP wird Blau, denn die fusionierte Marke BP-Aral führt die Stationen hier zu Lande unter grüner Leitung ganz in Aral-Blau weiter. Aber aus Blau wird nach Verkauf an die polnische PKN unter Umständen auch das Rot-Weiß von Orlen. Was aber wird aus denjenigen, die die Stationen von den großen Markeninhabern meist gepachtet haben? Gehen die Macher vor Ort übergangslos von einem Besitzer zum nächsten über?

Absicherung auf Kosten der Pächter

Die auf den meisten Stationen als Pächter agierenden selbstständigen Handelsvertreter sind so selbstständig nicht. Die fusionierte Shell & DEA Oil GmbH verlangt beispielsweise von ihren neuen Vertragspartnern, in der Rechtsform einer GmbH in den Vertrag einzusteigen. Das erfordert vom den gewesenen Pächtern und nunmehrigen GmbH-Geschäftsführern Gründungskapital, verursacht Kosten und ist ein erhöhtes Risiko. Doch die Ölgesellschaft will sich absichern.
Das Bild des selbstständigen Pächters ist nur noch Fassade. Denn wenn Tausende Pächter den Status der Selbstständigkeit verlören und als Angestellte des Konzerns, die sie de facto heute schon fast sind, eingestuft würden, müsste der Konzern Sozialabgaben in unvorstellbarer Höhe rückwirkend für vier Jahre zahlen: für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Doch nicht nur in dieser Hinsicht wird versucht, Pächter zu beeinflussen, unter Druck zu setzen und - unter Zugeständnissen auf anderen Gebieten - in neue Verträge zu drängen. Lange bevor beispielsweise klar war, was mit den verkauften Aral- und BP-Stationen werden wird, sind Vertreter der fusionierenden Unternehmen auf Tour gegangen, um Unterschriften unter Blanko-Verträge einzuholen, in die dann der künftige Markeneigner eingesetzt werden sollte. In Briefen an die Pächter hieß es lapidar, die Station sei bekanntlich aufgrund einer kartellrechtlichen Auflage verkauft worden, weitere Informationen würden folgen.
Was wie Gott gegeben klang, sollte offenbar auch so hingenommen werden. Eines Tages kommen dann Monteure und bauen von Preismast bis Dachkonstruktion, von Verblendung für Waschhalle bis zum Tankstellen-Shop alles um. Doch es gibt zwischen Tankstellen-Pächter und - alter wie neuer - Mineralölgesellschaft immer einen Vertrag. In dieses Vertragsverhältnis darf keine von beiden Seiten einen Vertreter entsenden. Ohne Zustimmung des Pächters darf auch die Mineralölgesellschaft keinen Dritten einsetzen. Der Pächter muss die Umflaggung nicht hinnehmen.
Pokerspiel zwischen ungleichen Partnern

Natürlich ist die eine Seite wirtschaftlich stärker und die Konzernbevollmächtigten sähen es lieber, wenn ihre Pächter allem, was beschlossen wird, zustimmen. Doch die alten Hasen in der Branche warnen vor Fallstricken: Es geht beim Pokerspiel mit den Mineralölfirmen um die Konditionen, die man für den 24-Stunden-Job aushandelt, um geleistete Dienstjahre, die anerkannt werden, um Kündigungsfristen, die man jetzt hat und so nicht mehr bekommt, um die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs bei Ausscheiden, um die Anerkennung des gewonnenen Kundenpotenzials im härter werdenden Wettbewerb. Bei einer Umflaggung etwa können Kunden aus vielerlei Gründen wegbleiben. Sie wandern ab, weil die neue Station im Preis einen Cent höher liegt oder weil sie plötzlich einem gänzlich unbekannten Eigentümer gehört.
Auch Umbauten bedeuten Unannehmlichkeiten. Wer trägt mögliche wirtschaftliche Schäden? Wer hat sie verursacht? Woher kommt eine Entschädigung? Das Thema wirkt derzeit in den betroffenen Kreisen als rotes Tuch. In der Tankstellenbranche kursiert der Spruch vom geschiedenen DEA-Pächter, der früher einmal für Shell tätig war und heute eher seine Ex-Frau wieder heiraten würde, als zurück zu Shell zu gehen - was ihm der Verkauf von DEA an Shell aber unter Umständen zwangsläufig einbrockt. Manch einer hat wohl in diesen wirren Zeiten der Tankstelle auch ganz den Rücken gekehrt. Wer geblieben ist, auch aus Mangel an Alternativen, der versucht nun seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.

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