Musikindustrie vs. Musikpiraten

Urheberabgabe, Fahnder und Klagen gegen ungebremsten Datenaustausch

  • Franziska Dähn
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach US-amerikanischem Vorbild hat die bundesdeutsche Musikindustrie Schritte gegen das Kopieren von CDs und DVDs sowie gegen Tauschbörsen-Nutzer unternommen. In den USA weht nach einer juristischen Initiative der Musikbranche ein schärferer Wind.
Die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) und der Branchenverband Bitkom haben sich vergangene Woche geeinigt, auf DVD-Brenner eine Urheberabgabe zu berechnen. Rückwirkend zum 1. Januar 2003 müssen Unternehmen, die Geräte zum Vervielfältigen so genannter Digital Video Discs (DVD) vertreiben, 9,21 Euro für jeden verkauften Brenner bezahlen. Eine ähnliche Urheberrechtspauschale gibt es bereits seit letztem Jahr für CD-Brenner. Sie sollen Künstler für die Verluste entschädigen, die ihnen durch privat gebrannte CDs und DVDs entstehen.
Auch die Nutzer von Privatkopien haben es seit In-Kraft-Treten des neuen Urheberrechtsgesetzes nicht mehr leicht: Viele CDs sind bereits mit einem Kopierschutz der Plattenfirmen versehen - wird der beim Vervielfältigen umgangen, ist das ab dem 1. September illegal. Wenn die gebrannte Musik zudem aus »offensichtlich illegalen Quellen« bezogen wurde, ist das Kopieren erst recht verboten.
Mit diesen Maßnahmen versucht sich die deutsche Musikindustrie gegen die Umsatzeinbußen zu wehren, die ihr durch das Kopieren oder Herunterladen von Filmen und Musik aus dem Netz entstehen. Der Musikabsatz sei im ersten Halbjahr des Jahres 2003 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16,3 Prozent gesunken, sagte der Vorsitzende der deutschen Phonoverbände am vergangenen Donnerstag in Hamburg. Hauptursache seiner Meinung nach: die ungebremste Zunahme digitaler Musikkopien. Die populären Tauschbörsen Napster und mp3.com sind zwar derzeit vom Netz, doch das Herunterladen geht über neue Musikplattformen munter weiter. Daher bietet seit vergangener Woche der Internet-Sender »www.chartradio.de« aus Baden-Baden - in Zusammenarbeit mit der deutschen Musikindustrie - ein kostenpflichtiges Online-Musikportal an. Label wie BMG, Warner und Universal Music sind Partner des »Downloadshops«, der bis zum Jahresende 50 000 Titel zur Verfügung stellen möchte. Eine neue, allerdings gebührenpflichtige Napster-Version soll zudem Ende 2003 in den USA starten.
Vielleicht sind diese Schritte gegen deutsche »Musikpiraten« erst Böen vor einem Sturm? Ein Blick in die USA lässt so manchen in böser Ahnung erzittern: Seit Ende Juni geht die US-amerikanische Musikindustrie mit viel härteren Maßnahmen gegen Tauschbörsen-Nutzer vor. In einer Initiative der Recording Industry Association of America (RIAA) machen Scanner-Programme Computer-Besitzer ausfindig, die über Tauschplattformen wie Kaaza, Grokster oder MusicCity Musiktitel für andere kostenlos bereitstellen. Denen drohen nun nach US-Medienberichten Strafen wegen Verletzung des Urheberrechts bis zu 150 000 Dollar. Ein Berufungsgericht hatte zudem entschieden, dass der Internet-Provider Verizon persönliche Daten von anonymen Nutzern der Tauschbörse Kazaa offenlegen muss. Die RIAA wollte juristische Schritte gegen diese »Musikpiraten« einleiten.
Derartige Abschreckungsmaßnahmen scheinen aus Sicht der Künstler und vor allem der Musikindustrie berechtigt: In den USA liegt laut einer Studie des »Pew Internet and American Life Projekt« der Anteil der Nutzer, die sich bereits Musik aus dem Internet besorgt haben, bei 29 Prozent. Zudem gaben 67 Prozent der Befragten an, es kümmere sie nicht, ob heruntergeladene Musik durch Copyright geschützt sei. Die Kehrseite der Schritte der RIAA: Das Herausgeben der Informationen bedeutet einen schweren Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer und gefährdet das öffentliche Recht zu kommunizieren.
Die Betreiber der Tauschbörsen wehren sich auf ihre Weise: Mit so genannten privacy-features, die die Identität ihrer Nutzer einigermaßen verschleiern helfen. Der Download erfolgt über P2P-Netze (Peer-to-Peer, von engl. »peer« für »Gleichgestellter« oder »Altersgenosse«): Hierbei werden Daten nicht über einen zentralen Server, sondern dezentral unter den Nutzern ausgetauscht. Auch können diese P2P-Netze Sicherheitsfilter beinhalten, die Fahnder der RIAA identifizieren sollen. Die Anbieter dieser P2P-Software können gerichtlich kaum belangt werden, da sie - im Gegensatz zum Musikportal Napster - den Inhalt der ausgetauschten Daten nicht kontrollieren können.
Auch gerichtlich haben die »Musikpiraten« einen ersten Erfolg gegen die RIAA zu verbuchen: Anfang August hat ein US-Bezirksgericht entschieden, dass weder das Boston College noch das Massachusetts Institute of Technology Namen von studentischen Tauschbörsen-Nutzern herausgeben müssen. Nach Ansicht der RIAA handelt es sich bei der Entscheidung jedoch lediglich um eine Formsache, da sich das Gericht nicht zuständig erklärt hatte. Der Kampf »Musikindustrie versus Musikpiraten« geht also in die nächste Runde.
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