Streusalz - ein ignorierter Baumkiller

Im Winter wird auf den Straßen noch immer zu viel Natriumchlorid eingesetzt

  • Günter Queißer
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach wie vor werden Straßenbäume durch Streusalz geschädigt, obwohl das Gefahrenpotenzial bekannt ist und es auch Alternativen gibt. Der Chemiker und Forstwissenschaftler Rudolf Behm aus Eberswalde hat schon in den 60er Jahren am Institut für Forstwirtschaften in Studien über die Auswirkungen von Streusalz geforscht, auf verschiedene Langzeitschäden aufmerksam gemacht. Damals ging es um das viel eingesetzte Magnesiumchlorid. Diese Forschungsergebnisse verschwanden keineswegs »in den Tresoren der DDR-Bürokratie«. Die Ergebnisse wurden 1972 in wissenschaftlichen Publikationen bekannt gemacht, berichtet Behm. Vor acht Jahren beobachtete der Forstexperte erneut Baumschäden, die von Streusalz herrührten. Man hatte Anfang der 90er Jahre auf Natriumchlorid umgestellt. Dessen entscheidender Nachteil, so der Wissenschaftler, bestehe darin, dass Natrium wichtige Nährstoffe verdränge, und Bodenverdichtung (Verschlämmung) mit ungünstigen Folgen für den Wasser- und Lufthaushalt im Boden auftreten können. Für viele Bäume ist das tödlich. In Artikeln und Vorträgen bemühte sich der Eberswaldes Chemiker, die Öffentlichkeit auf den Zusammenhang von Streusalz und Baumschäden hinzuweisen. Doch Umweltministerium und Umweltbeirat des Landes Brandenburg zeigten sich außer Stande, entsprechende Untersuchungen anzustellen, um daraus Maßnahmen zum Schutz der Bäume abzuleiten. Inzwischen sind Jahre ins Land gegangen. Andere Baumkiller wie die Kastanien-Miniermotte, Lindenblattwespe oder die Napfschildlaus kamen dazu. Doch während der Mensch diesen Schäden ziemlich hilflos gegenüber stehe, seien die Streusalzschäden von ihm selbst verursacht, kritisiert Behm. Er verweist auf eine Diplomarbeit von Katja Derer, die kürzlich im Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz an der Fachhochschule Eberswalde verteidigt wurde, über Auswirkungen von Auftausalzen auf Straßenbäume im Eberswalder Stadtgebiet. Das Ergebnis ist alarmierend. An acht Straßen wurden Baumbestände untersucht, die Bodenvegetation erfasst, Bodenproben begutachtet, Blätter chemisch analysiert und auffallende Streusalzschäden festgestellt. Die Bäume neigen zum vorzeitigen Blattabwurf. Es beginnt ein langsames Baumsterben. Auch privates Streuen der Gehwege wurde als erheblicher Schadfaktor registriert. Dabei würde es ausreichen, die Gehwege mit Sand abzustumpfen. In der Stadt Eberswalde ist laut Straßenreinigungssatzung Streuen von Tausalz auf Fußwegen grundsätzlich verboten und nur bei extremen Situationen wie Eisregen und auf gefährlichen Gehwegstellen wie Treppen und Rampen erlaubt. Offenbar ist für viele Streusalz die billigste Variante. Frieder Monzer vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) berichtet von Ermittlungen für den Winter 2000/01, in dem in Brandenburg pro Straßenkilometer 2800 Kilo Salz bereit gehalten wurden, wogegen schneereiche Länder wie Finnland, Slowakei und Österreich nahezu ohne Tausalz auskommen und offenbar ihren Autofahrern mehr Geschicklichkeit zutrauen. Tausalz, so forderten Robin Wood und der VCD auf einem Anti-Tausalz-Faltblatt, sollte wirklich nur auf Hauptstraßen bei plötzlicher Eisglätte verwendet werden. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre betraf das etwa sieben bis maximal zehn Tage pro Saison. In Schweden bezahlen übrigens die Kommunen den Winterdienstfirmen nur so viel Geld, wie ihnen durch die Wettervorhersage gerechtfertigt erscheint. Monzer bezweifelt, dass hoher Salzeinsatz generell der Verkehrssicherheit dient, zumal Salzbeläge in Bremssystemen den Bremsweg verdoppeln können. Auch für bereits geschädigte Bäume würde es sich noch lohnen, wenn auf Streusalz verzichtet und als Alternative Sand, Granulat oder Splitt gewählt wird.

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