„Schatzsucher“ durchkämmen Thüringen
Objekt der Begierde sind vor allem verschollene Kunstgüter aus der Nazizeit
Suhl (ddp/ADN/ND). Der Fremdenverkehr in Thüringen wächst seit der Grenzöffnung auch in Bereichen außerhalb der offiziellen Statistik: Professionelle Schatzsucher durchkämmen den Freistaat nach Geheimobjekten aus der Endphase des Dritten Reiches. „Ich glaube, daß die Zahl dieser Leute, die mit bester Technik suchen, in Zukunft noch weiter wachsen wird“, befürchtet der Suhler Geschichtsforscher und Buchautor Ulrich Brunzel.
Die Anfang der 90er Jahre erfolglose Suche nach dem Bernsteinzimmer habe der Szene noch Auftrieb gegeben. Und es gebe noch heute berechtigte Hoffnung auf spektakuläre Funde.
Brunzel zieht seine Hoffnungen aus Recherchen, die er 1965 mit einem Einstieg in Bunkeranlagen im Jonastal begann. Es stünde fest, daß in Thüringen ein unabhängiger
deutscher Reststaat entstehen sollte - mit allem, was zum Überleben eines solchen Gebildes notwendig war. Im zentralen Thüringer Raum und im Thüringer Wald befanden sich Anfang 1945 in 25 Orten hohe Dienststellen. Parallel dazu wurden Unmengen von Wertsachen, Gold und Devisen sowie Kunstschätze hierher gebracht. Allein 137 Waggons mit Kunstgütern wurden aus
Westeuropa geraubt, von denen ein Großteil verschollen blieb. Nach Kriegsende wurden in einem Schacht bei Merkers 230 t Gold, 2 Millionen US-Dollar, mehrere Millionen in anderen Währungen und Kunstgegenstände gefunden.
Insider bestätigten, daß auch etwa 1000 Kleindepots mit Wertsachen, Papieren und Waffen für Führungskader angelegt wurden. Bisher sei davon nichts aufgetaucht. Doch Ende der 80er Jahre habe das MfS in der Mühlburg bei Gotha eine Porzellansammlung entdeckt und über eine Schalck-Firma verkauft.
Als Schlüssel sieht Brunzel den ehemaligen Truppenübungsplatz bei Ohrdruf. Hier
sollen gewaltige Bunkeranlagen verborgen sein, deren Eingänge gesprengt wurden. „Die Sowjets haben als Hausherren des Platzes über Jahrzehnte keinen Versuch unternommen, das geheimnisvolle Bunkersystem zu erkunden“, weiß Brunzel. Die Landesregierung sollte deshalb bald eine Arbeitsgruppe bilden, die intensiv die bekannten Fakten auswertet und privaten „Schatzsuchern“ zuvorkommt. Es ginge dabei nicht nur um die Jagd nach Nazi-Gold. Viel bedeutender sei die Sicherung historischen Erbes und von Schriftgut. So werde ein komplettes Archiv bei Sonneberg vermutet. Brunzel gibt zu, daß er bereits „auf eigene Faust“ prüft.
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