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  • Kultur
  • DIE LINKE UND DER KITSCH

Leider wahr

  • Lesedauer: 2 Min.

Nachdem Gerhard Henschel sich die Mühe gemacht hat, das Feld linker Weltanschauungsproduktion auf besonders abstoßende Erbärmlichkeiten zu durchsuchen, darf er nun ganz peinlich berührt der Öffentlichkeit „Das Blöken der Lämmer“ präsentieren. Daß seine Diagnose, linke a-huga-hagahuga-Kultur sei größtenteils nichts weiter als Kitsch, so manchen traurig stimmen dürfte, ändert nichts daran, daß es stimmt. Henschels besonders bedrückende Beispiele stammen von Linken mit lyrischer Ader und Liebe zum Leben: „Blumen riechen, Amseln hören, / Farben sehn und Sonnenschein, / wachsen, lieben, Kinder haben, / weise werden, müde sein.“ Der weise-müden Fruchtbarkeitsgöttin Gudrun Pausewang ist nur zuzurufen: Aderlaß!

Wen wundert es da noch, daß linke Kritik nichts bewirkt, die nach Form und Inhalt oft übler aufstößt, als der Zustand, dem sie gilt. So veranstaltete der „Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V “ in Fulda einen Kongreß, dessen Gast Henschel war Wer glaubt, jene Veranstaltung wollte sich dem Kirchentagseiertanz Vollmerscher Provenienz widersetzen, der wird eines Besseren belehrt. So empörte sich Klingelbeutel-

Gerhard Henschel: Das Blöken der Lämmer Die~Linke und der Kitsch. Edition Tiamat, Berlin 1994. 174 S.\ 26 DM.

kollektensammlerin Kriemhild Klie-Riedel mit konsumkritischen Versen wie „Aus Quelles Farbfernsehgerät kommt live und kirchenglockenfrisch / die Weihnachtsbotschaft auf den Tisch“ über die Wirkungslosigkeit des Kirchenkrempels. Wer, wenn nicht eine „Berufsketzerin“ sollte sich darüber freuen, fragt sich Henschel zu recht.

Was bleibt da noch übrig? Diese Frage weiß Henschel allerdings nicht sehr befriedigend zu beantworten: „Schlagkräftige Gewerkschaften, Frauenhäuser und funktionierende Jugendzentren sind nützlicher als orgasmische Politik unter aufgeschreckten Sternen.“ Daß sie das Auftreten glatzköpfiger Klopse, besessener Frauenprügler und skrupelloser Arbeiterverblöder verhindern können, ist nicht gerade einleuchtend. Ganz im Gegenteil: Wer seine Praxis darauf beschränkt, für die schlimmsten Schäden kleine Notpflästerchen zu verabreichen, wird zwangsläufig feststellen müssen, daß irgendwann der Verbandsstoff ausgeht.

CARSTEN OTTE

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