Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Nazis beschimpfen ist Volksverhetzung

Urteil im Magdeburger Antifa-Prozeß

  • Lesedauer: 2 Min.

Auch Polizeiobermeister Henning Strauch war zur Zeugenvernehmung erschienen. Ihm hatten zwei junge Magdeburger Antifaschisten ihre Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht und

Volksverhetzung zu verdanken. Strauch selbst zeigte sich zunächst erschrocken. Nicht Nils T hatte er erwartet, sondern jemand anderen, den er als Nils T zu kennen meinte. Wahrscheinlich hatte jemand im Polizeirevier die Karteikarten durcheinandergebracht. Zumindest war Nils T damit aus dem Schneider. Er wurde freigesprochen.

Thomas A. dagegen wurde von Strauch beschuldigt, Veranstalter einer nicht angemeldeten Demo im November 1992 nach dem Mordanschlag von Mölln gewesen zu sein. Obwohl Strauch wußte, daß sich als Demo-Organisatoren zwei andere Personen bekannt hatten. Da die aber offenbar mit ihrer Aufgabe überfordert gewesen waren, suchte sich Strauch A. aus der Menge, den er bereits kannte. Von ihm erhielt er aber keine Auskünfte, und so drohte er ihm bereits während der Demo mit einer Anzeige. Weil er sich geärgert hatte, wie er vor Gericht zugab.

„Ich habe im Zug gehört, wie jemand sagte: Jetzt kommen sie zu uns und wollen die Streckenführung wissen.' Die spürten eine Art Hochgefühl. Da können Sie sich vielleicht vorstellen, wie komisch sich ein Polizeibeamter fühlt, mit

dem das eigentlich abgesprochen werden muß.“ Das Gericht konnte Strauchs Auffassung nicht folgen, da er eindeutig geäußert hatte, daß es zwei andere Verantwortliche gegeben hatte.

Die Sprüche „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ und „Aufruhr, Widerstand, es gibt kein neues Großdeutschland,“ betrachtete.das Gericht nicht als Volksverhetzung. Anders als „Haut den Nazis auf die Fresse“' Hier werde, so Richter Günter Kordes, zu Gewalt und Selbstjustiz aufgerufen. Das sah Rechtsanwalt Kalek anders, der lediglich heraushörte, daß man die Straße nicht den Nazis überlassen wolle.

Thomas A. bestritt jedoch von Beginn an, diese Losung gerufen zu haben. Strauch, der sich ausgerechnet von dieser Losung persönlich beleidigt fühlte, meinte, sie von A.'s Mund abgelesen zu haben. Aber er hatte ja bereits zuvor bewiesen, wie menschlich Irren ist. Das Gericht schlug vor, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.

A. und sein Anwalt allerdings wollten auf Grund der politischen Brisanz ein Urteil sehen und plädierten auf Freispruch. Dazu sah sich der Richter nicht in der Lage. Er stellte gegen den Willen des Angeklagten das Verfahren ein. Mit der Konsequenz, daß der nun die Anwaltskosten zu tragen hat.

ANNETTE SCHNEIDER, Magdeburg

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.