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  • Politik
  • „Ladies im Hotel“ von Dorothy Parker - Deutsche Erstaufführung im Berliner Maxim Gorki Theater

Quälende Einsamkeit

  • GERHARD EBERT
  • Lesedauer: 3 Min.

Monika Lennartz und Ruth Reinecke in einer Szene von „Ladies im Hotel“ Foto: Joachim Fieguth

Das Maxim Gorki Theater an der berühmten Allee Unter den Linden in Berlin ist auf Profilsuche. Bohrend zeitkritische Eloquenz, unter Albert Hetterle ein Markenzeichen des Ensembles, scheint in der Hauptstadt nicht mehr so recht opportun zu sein. Bernd Wilms aus Ulm jedenfalls, der nunmehrige Intendant des Hauses, sondiert erst einmal mit kommodem Boulevard. Wozu sich die deutsche Erstaufführung von „Ladies im Hotel“ der Amerikanerin Dorothy Parker (1893-1967) gewiß vorzüglich eignet. Ob es programmatisch gemeint ist, wird sich zeigen.

Nun ist Theater als ein angenehmer Weggenosse, der nicht unbedingt aufstört, so doch eigene seelische Befindlichkeiten empfindsam berührt, fürs Leben und Überleben ohne Zweifel sehr brauchbar Einsamkeit beispielsweise, das Grundthema des Stükkes der Parker, ist in vielfältiger Variante auch hierzulande Wirklichkeit. Das Gorki Theater wird also, und das ist ja nicht verkehrt, auf erhebliche Resonanz stoßen.

Die Autorin porträtiert bitter, wenn nicht gar verbittert, das Alleinsein von Frauen, speziell reicher alternder Amerikanerinnen. Ihre einschlägigen Beobachtungen - sie lebte mehr als 30 Jahre in Hotels -

wußte sie mit spitzer, auch ironischer Feder zu einprägsamen Szenen zu münzen. Das ist von anrührender wie amüsierender menschlicher Nähe.

Ein Mittelklasse-Hotel in New York (von Bühnenbildner Michael Rösch geschmackvoll hingebaut). Dort hat sich mit durchaus noch Anspruch an das Dasein die reiche Witwe Lulu Arnes nebst ihrem Pekinesen einquartiert. Prompt verliebt sie sich in den Buchhändler Paul Osgood, einen 12 Jahre jüngeren alten Bekannten der Familie. Aber ach! Die reife, doch leider schon etwas schrullige Frau verhält sich ungeschickt, drängt sich ihrem Geliebten auf, so daß der ausflipt. Monika Lennartz und Daniel Minetti bringen diese kurze, traurigkomische Liaison ganz unsentimental.

Realistische Menschendarstellung, das' sei hier nicht nebenbei bemerkt, wird am Maxim Gorki Theater noch großgeschrieben. Und Regisseur Klaus Emmerich, neu am Hause, bewies sowohl Gespür' für das Ensemble (was die Besetzungen betrifft), als auch für das Stück (was die lockere, aber präzise Spielführung angeht). Vielleicht läßt er gelegentlich die Dialoge zu zügig nehmen, aber der Drive stimmt.

Hotelleben also. Sehnsüchte eingesperrt in Zimmer und Flure. Unerfüllbare Hoffnungen. Dennoch Begehrlichkeiten. Suche nach Liebe. Wozu bei der Parker gehört: Männer verfallen den Frauen. Hotelboy Harry (Nils Brück) beispielsweise kann sich gerade noch dem Zugriff der alkoholsüchtigen Mildred Tynan (Adriana Altara), einer unglücklichen Ehefrau, entziehen. Charles Nichols (Thomas Rühmann) jedoch, der seine kranke Mutter (Ursula Werner) pflegt, scheint wenig Chancen zu haben, sich aus ihrer Tyrannei zu befreien. Und Hotelboy Casey (Richard Heidinger) hängt an den Rockschößen des Zimmermädchens Irma (Gudrun Köster).

Nicht mehr aktiv in Sachen Eros, daher schon ein wenig versauert: Mrs. Gordon, von Annemone Haase trefflich als kapriziöse alte Dame gespielt, und Mrs. Lauterbach, von Monika Hetterle als komisch melancholisches Frauenzimmer vorgeführt. Noch jung, aber auch schon einsam: die Innenausstatterin Constance Mercer, von Ruth Reinecke als charmante Lebenskünstlerin dargestellt. Das Ensemble - noch zu nennen Katka Kurze, Nicole Haase, Eckhart Strehle, Ulrich Müller und Dieter Wien - meistert das Genre auf hohem Niveau. Verdienter Beifall.

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