Porzellanfabrik fällt in Scherben

Landesregierung trieb »Henneberg« in Konkurs

  • Peter Liebers
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Wirtschaftspolitik der Thüringer CDU-Landesregierung hat offenbar die 1777gegründete traditionsreiche Porzellanfabrik »Graf Henneberg« in Ilmenau in einen Scherbenhaufen verwandelt und droht über 700 Arbeitsplätze zu vernichten.
Der geschäftsführende Alleingesellschafter der Ilmenauer Firma »Graf Henneberg«, Rolf Frowein, musste jetzt Insolvenz beantragen, weil die Thüringer Aufbaubank (TAB) einen Kredit von 11,5 Millionen Mark mit sofortiger Wirkung gekündigt hat. Der Knackpunkt dabei ist, dass die CDU-Landesregierung in diesem wie in anderen Fällen an EU-Recht vorbei Finanzspritzen verabreicht hatte, um vor allem vor anstehenden Wahlen gefährdete Arbeitsplätze zu retten. Dazu war mit Bedacht ein verworrenes Beziehungsgeflecht zwischen Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft (TIB) sowie der TAB geschaffen worden. Als die EU in Brüssel Prüfverfahren dazu startete und den Filz zu durchforsten begann, potenzierte Erfurt seine Fehler noch, trat arrogant gegenüber den EU-Wettbewerbshütern auf, lieferte Unterlagen nicht, verspätet oder unvollständig nach Brüssel und machte sich die dortigen Beamten zu Intimfeinden. Auch gegen »Graf Henneberg« wird seit zwei Jahren in Brüssel wegen des 1996 gewährten Kredits ermittelt. Damals war die TIB noch Hauptgesellschafter, und das Unternehmen, das Anfang der 90-er Jahre von der Treuhand an iranische Unternehmer verkauft und von diesen in den Konkurs geführt worden war, steckte Mitte der 90-er Jahre erneut in der Krise. 1997 wies die Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von über vier Millionen Mark aus. In dieser Lage versuchte das Land, sich der Firma zu entledigen. Eine bayerische Unternehmensgruppe zeigte Interesse, bestand aber auf der Übernahme aus dem Konkurs heraus, weil sie Rückforderungen der EU befürchtete. TIB-Geschäftsführer Hoffmann-Becking sah das als »nicht zielführende Lösung« an und lehnte ab. Der Thüringer Finanzminister Andreas Trautvetter (CDU) soll dann das Geschäft mit dem damaligen TIB-Manager Frowein eingefädelt, diesen zur Übernahme der Firma ermuntert und die Entschuldung des Unternehmens versprochen haben. Letztere erfolgte allerdings nie, weil sich die TIB weigerte, von ihr verursachte bilanzielle Unregelmäßigkeiten von 2,4 Millionen Mark zu begleichen. Der gesamte kaufmännische wie wirtschaftspolitische Dilettantismus droht nun die 230 Arbeitsplätze in der Firma zu vernichten. Aus Sicht des Vizevorsitzenden der Thüringer PDS-Landtagsfraktion, Bodo Ramelow, ist der Schaden allerdings weit größer. Er schätzt, dass jeder bei »Graf Henneberg« verlorengehende Arbeitsplatz zwei weitere in der Region kostet. Charakteristisch für das Verhalten des Landes ist der Umstand, dass alle Beteiligten an einem Tisch saßen, als man Frowein die Firma aufdrängte, um sich der Folgen fehlerhaften Managements zu entledigen. Nun würde er aber - eigenen Angaben zufolge - von einer »vermeintlich zuständigen Stelle zur nächsten« geschickt. Selbst die teilweise Übernahme der Anwaltskosten im Zusammenhang mit den Prüfungen in Brüssel werde vom Land verweigert. Brüsseler Anwälte der Firma mutmaßten deshalb, die Landesregierung habe die Hoffnung auf Genehmigung der Beihilfen längst aufgegeben und betreibe nur noch Schadensbegrenzung. Dabei wäre die Entschuldung von »Henneberg« kein Problem, da die TIB Ramelow zufolge auf einem Überschuss von 100 Millionen Mark sitzt. Das Land ist allerdings im Begriff, die TIB langsam sterben zu lassen, um den Finanzüberschuss für Zwecke der wirtschaftsnahen Forschung kassieren und damit am Ende zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. So würde der von einem Schuldenberg geprägte Landeshaushalt entlastet, und mögliche Brüsseler Rückforderungen richteten sich allein an die betroffenen Firmen, die dann ruiniert würden. Ramelow kündigte deshalb eine parlamentarische Initiative seiner Landtagsfraktion an, um die undurchsichtigen Vorgänge um die ausgebliebene Entschuldung aufzuhellen. Das undurchschaubare Geflecht zwischen TIB und TAB, verbunden mit dem mangelnden Aufklärungswillen der CDU-Fraktion in Sachen Landesgesellschaften wertet er als »organisierte Verantwortungslosigkeit.« Zugleich wirft er der Landesregierung vor, seit der fehlerhaften Privatisierung sich darum zu drücken, mit dem Investor ins Reine zu kommen. Ramelow hofft, dass der Insolvenzverwalter mutig genug ist, sein Recht wahrzunehmen und den Kredit als eigenkapitalbildendes Darlehen, das dieser in Wahrheit gewesen war, einzukassieren. Nur die Entschuldung der Altdarlehen könne der Firma noch aus der Krise helfen. Arbeite die strukturbedeutende Porzellanindustrie nicht weiter, nehme die Region schweren Schaden, fürchtet Ramelow. Frowein verwies seinerseits darauf, dass im Falle von Henneberg keine Auffanggesellschaft zur Rettung der Arbeitsplätze errichtet werden kann, weil das die Struktur des Porzellanmarktes nicht erlaubt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -