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  • Politik
  • Nach der 40stündigen Gangsterjagd fragt man in seiner Heimatstadt Apolda:

Wer ist der Geiselnehmer Albert?

  • Lesedauer: 3 Min.

Apolda ist in die Schlagzeilen geraten. Nicht, weil die Wirtschaft am Boden liegt und der „Aufschwung Ost“ einen Bogen um das ostthüringische Nest macht. Die 21 000 Einwohner zählende Stadt hatte in realsozialistischen Zeiten ihr Auskommen. Doch die textile Monostruktur hat ihre Tücken. Niemand will heute die Arbeiterinnen aus den inzwischen geschlossenen Trikotagebetrieben beschäftigen, die früher manche „harte Export-Mark“ für Vater Staat erwirtschafteten.

In Apolda wuchs der heute 32jährige Raymond Albert auf. Von ihm hätte hier niemand Notiz genommen, wenn er nicht für traurige Popularität als Mörder und Geiselnehmer gesorgt hätte. Der wegen Mordes Verurteilte, der mit einem Mitgefangenen aus einer Hamburger Haftanstalt ausbrach, anschließend einen Bankraub verübte und sich mehrerer Geiseln bemächtigte, ist von den einheimischen Medien längst einsortiert worden. Nach den Ursachen fragt niemand.

Ist Raymond Albert tatsächlich der gewissenlose Gangster, der durch die NVA geformt wurde? Der Mann, der einen Menschen beraubt, erdrosselt und anschließend noch mit der Machete geköpft haben soll, stammte schließlich aus „geordneten Verhältnissen“ Als Arbeiterkind kam er nach der Schulzeit und einer Lehre im Uhrenkombinat Ruhla zur „Fahne“ und verpflichtete sich zum dreijährigen Dienst in einer Spezialeinheit.

Albert machte sein Hobby zum Job auf Zeit. In der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) hatte er sich bereits das Rüstzeug als Kampfschwimmer geholt. In der NVA bekam er den letzten Schliff, um im Ernstfall auch unter extremen Bedingungen durchzukommen und im feindlichen Hinterland Aufträge erfüllen zu können.

Solcherlei Spezialausbildung hinterläßt - im Osten wie im Westen - Spuren. Das Leben des ansonsten ruhigen Raymond Albert gerät offenbar in Unordnung, er

kann bestimmte Vorgänge und deren Tragweite nicht mehr erfassen. Zwar beginnt er nach seiner Heimkehr zunächst wieder in seinem alten Betrieb zu arbeiten und geht allwöchentlich als GST-Ausbilder zum Tauchsporttraining. Doch rutscht er in dieser Zeit psychisch immer weiter ab.

Mit der Polizei bekommt es Albert erstmals 1984 zu tun, als er mit einem Kumpel mehrere Autos knackt und sich an Scheckbetrügereien beteiligt. Der Knast dauert nicht lange. Durch eine Amnestie kommt er recht schnell auf freien Fuß, und er beginnt seine Flucht in den Westen zu planen. Die kommt dann nicht zustande, weil Alberts Pläne aufflogen, doch bleibt die Stasi erfolglos. Der Einzelkämpfer/ Einzelgänger riecht den Braten und macht sich rechtzeitig aus dem Staub.

Endgültig verliert Raymond Albert nach der Wende den Boden unter den Füßen. Von der Polizei gesucht, taucht er ins Underground-Milieu ab, verdingt sich in einer Spielhölle namens „Bierteufel“ Im März 1991 kommt es zwischen ihm und dem Kneiper Roland Friedrich zu Streitigkeiten. Albert beraubt und entführt mit drei Kumpanen den Wirt und erdrosselt ihn. Anschließend enthauptet der Apoldaer sein Opfer mit einem Buschmesser

Im Oktober 1992 verurteilt ihn ein Stuttgarter Gericht zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe. Raymond Albert kommt zunächst in den Knast nach Suhl-Goldlauter, wird aber nach einem Jahr ins „Santa-Fu“ nach Hamburg-Fuhlsbüttel verlegt. Besondere Gründe soll es dafür nicht gegeben haben, hieß es aus dem thüringischen Justizministerium. Doch auch in Hamburg, wo Albert vor Tagen mit seinem Komplizen entkommen konnte, war man sich offenbar darüber im klaren, wer da in die norddeutsche Anstalt verfrachtet wurde. Die stellvertretende Anstaltsleiterin Claudia Dreyer betitelte Albert als „außergewöhnlichen Gefangenen“, der „mit einem hohen Maß an krimineller Energie“ ausgerüstet sei.

HOLGER ELIAS

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