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. . . und was wird aus denen, die noch im Schloß wohnen?

Erhalt ostdeutscher historischer Bauten - es ist ein Kreuz mit dem Geld

  • Lesedauer: 6 Min.

Selbst der graufeuchte Novembertag kann dem Dorf Basedow nahe Malchin in Mecklenburg/Vorpommern seinen Reiz nicht nehmen. Es hat Gesicht und Charakter. Die backsteinroten Bauernhäuser, die Stallungen mit den eindrucksvollen Giebeln, der von Peter-Joseph Lenne angelegte Park

d die, Teiche, die ge^adfrentr Kirche, in (der auf bujjgs älteste : ,i0/Cgel regelmäßig Konzerte stattfinden - das ganze Dorf ist ein lebendiges Denkmal.

Der Charakter kommt vom „Reichtum“ des Dorfes. Was anderswo auf dem ostdeutschen Lande längst gestorben ist, lebt hier- Der Kaufmannsladen und die Poststelle, die Kindertagesstätte und die Schule. Die Gemeinde nahm einen Kredit auf, um die Wohnungen im sogenannten Neubau zu modernisieren. Die Agrar GmbH und Co KG gibt es, sie ist der größte Arbeitgeber des Ortes, wenn auch nur noch mit 23 Beschäftigten. Die Gemeinde fördert den Jugendklub. Das kommt gewiß daher, daß der ehrenamtliche Bürgermeister Kurt Reinholz sich hauptberuflich seit 25 Jahren als Lehrausbilder jungen Menschen widmet. Und das große Dorffest am 15. Oktober soll rundherum schön gewesen sein. Was Wunder, daß manch junge Familie trotz aller Sorgen um den fehlenden Arbeitsplatz sagt: Keine zehn Pferde bringen uns von hier weg in die Stadt oder gar Richtung Westen.

Mitten ins Dorf eingebettet liegt das Schloß der Erblandmarschälle von Hahn. 99 Türme und Spitzen soll es haben, wie die von Hahns 99 Güter besaßen - bei 100 hätten sie ein Regiment Soldaten unterhalten müssen. 1945 wurde der letzte, Karl Friedrich von Hahn, von der Bodenreform enteignet - eine zwiespältige Person: Hermann Göring war sein Jagdfreund, doch er rettete Landesbischof Tolzien vor dem gewiß tödlichen Zugriff der Nazis. So berichtet es Bernhard Quandt, der legendäre Mecklenburger. Der rief 1945 auf dem Schloßhof die Landarbeiter zur Bodenreform auf. Mit dem Segen des Bischofs Tolzien, der der Bodenreformkommission angehörte, wurden die Lose für das Land in der Kirche verteilt.

In Basedow wie bei den anderen Schloßimmobilien sind die Eigentumsverhältnisse erst einmal klar Nachfahren derer von Hahn, aus der Familie von Rüxleben, haben Ansprüche gestellt. Deshalb muß die Agrar GmbH weiterhin um 220 Hektar Land bangen und dort mit einjährigen Pachtverträgen

leben. Auch ein falscher Nachkomme, Klaus Graf von Hahn, tauchte auf. Doch man kam ihm auf die Schliche, und er mußte Dorf und Agrarbetrieb wieder verlassen.

Die TLG ist laut Günter Himstedt verpflichtet, vor jedem Verkauf die Grundbuch- und Katastersituation sowie in den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen zu recherchieren. „Erst wenn wir von dort grünes Licht erhalten, können wir ein Bieterverfahren einleiten.“ Was die 20 Bauten angeht, so hätten berechtigte Alteigentümer entweder auf ihren Anspruch verzichtet und bekämen eine Entschädigung aus dem Kaufpreis oder sie beteiligen sich mit einem Investitionskonzept an der Ausschreibung.

Wie in so vielen Dörfern Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs endete 1945 für das Basedower Schloß die Ära der Repräsentation. Es wurde Hüsung für Umsiedler und Flüchtlinge, die von jenseits der Oder und Neiße kamen. Allein das nördlichste ostdeutsche Land hat seine Einwohnerzahl in dieser

Zeit fast verdreifacht. Noch heute wohnen über 50 Basedower in Schloß und Marstall. Das Schloß hat schon zu DDR-Zeiten Unsummen für seine denkmalpflegerische Erhaltung verschlungen.

Schloß, Park und der inzwischen dem Verfall preisgegebene Marstall werden im Katalog mit einem Richtpreis von 2,2 Millionen DM angeboten. „Wir kannten den Kaufpreis nicht,“ sagt Bürgermeister Reinholz, ungenügende Information der Kommune andeutend. Zudem: Im Park, der Ende der 80er Jahre anläßlich des 200. Geburtstages von Lenne wieder zu einem Kleinod hergerichtet wurde, vereinen sich kommunales, Treuhand- und privates Eigentum. Teilen, Verzichten, Fordern stehen bevor

Dennoch würden die Basedower und ihr Meister einen Verkauf des historischen Baus an einen Investor mit genügend Geld begrüßen. Um der Erhaltung der Bauten und der Schaffung von Arbeitsplätzen für das Dorf willen. Doch Kurt Reinholz glaubt nicht mehr

daran. Acht Investoren, von den USA bis Südafrika, standen schon in seinem Gemeindebüro, dem ehemaligen Inspektorhaus. Für eine USA-Hotelkette errechneten Gutachter notwendige Investitionen von weit über 100 Millionen DM. Letzten Endes sind sie alle wieder gegangen.

DJe Treuhand als Eigentümerin der Schloßanlage hat sich bisher aus aller Verantwortung herausgehalten, meint Kurt Reinholz. Sie streckte keine müde Mark vor. Den Park hat die Gemeinde mit ABM-Kräften auf eigene Rechnung weiter gepflegt. In den Eingang des vom Einsturz bedrohten Marstalls stellte die Anstalt lediglich ein Schild: Betreten auf eigene Gefahr In einem Seitenflügel aber leben noch 22 Basedower. Die dringendste Aufgabe: Das Dach des Schlosses bedarf möglichst sofortiger Sanierung.

Das wichtigste Problem: Wo sollen die in Schloß und Marstall Lebenden wohnen, wenn die Anlage verkauft wird? Manch Jüngere haben sich schon eine andere Bleibe gesucht oder Eigenes gebaut. Vor

allem aber die älteren, alleinstehenden Frauen brauchen ein neues Dach über dem Kopf: die 80jährige Annemarie Petzold etwa, die heute noch im umgebauten Mädchenzimmer wohnt, das ihr schon zu Zeiten des Grafen als Zuhause diente. Der Bürgermeister hofft weiter auf die Sozialpflichtigkeit der Eigentümerin Treuhand. Er will gern den Boden für den Bau von altengerechten Wohnungen zur Verfügung stellen. Doch die Gemeinde allein ist damit, überfordert.

Ebenso geht es wohl all den 20 schloßbesitzenden Gemeinden. Das Mitte des 19 Jahrhunderts erbaute Schloß und der umliegende Park in Schlemmin nahe Ribnitz-Damgarten, zu DDR-Zeiten Gäste-Haus und Gaststätte, sind sehr gut in Schuß. Eine westdeutsche Betreiberfirma machte bald bankrott und führte zudem die Gemeinde hinters Licht. Seit rund vier Jahren liegt die Anlage brach. Die ehrenamtliche Bürgermeisterin Christel Kranz hat Forderungen von rund einer Viertel Million DM an die Firma. „Von der kriegen wir die nie.“ Doch

sie wird sich an die Treuhand halten. „Ohne uns wird nicht verkauft, wir wollen nur unser Recht,“ sagt sie entschieden.

Zuguterletzt Schloß Wulkow nahe Frankfurt/Oder Es wird samt 5 000 Quadratmetern Garten zu 50 000 DM angeboten. Doch von ihm ist seit Kriegszeiten nur noch eine RUjin^übrig, die-., Sanierung würde laut ehrenamtlichem Bürgermeister Dr,,, Albtecht Horzetzky nicht unter zehn Millionen DM zu machen sein. Wie soll da die Gemeinde mitbieten? Auch der inzwischen in seine Rechte eingesetzte Eigentümer Schulz-Wulkow hat gepaßt. Der künftig hier herrschende Schloßherr muß sich mit seinem Konzept einfügen in das heute weit über die Grenze des Landes Brandenburg bekannte ökologische Dorf.

Bei dem gegenwärtigen Geldmangel der Kommunen klingt es schon sarkastisch, wenn TLG-Vorsitzender Günter Himstedt beteuert: „Wo die Gemeinden Immobilien erwerben wollen, genießen sie eine Art Vorkaufsrecht zum Verkehrswert.“ Die TLG sei allerdings kein Kreditinstitut und könne keine Finanzierungshilfen bewilligen. Sie wird also den westdeutschen Weg gehen, „wo sich die Einbindung privaten Kapitals in die Erhaltung von Schlössern und Burgen schon seit langem bewährt hat.“

So bleibt den Gemeinden siehe oben - eben nur die Hoffnung auf reiche Investoren und die Arbeitsplätze danach.

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