Nach den ersten Foltervorwürfen gegen die Besatzungstruppen in Irak in der vergangenen Woche vergeht kein Tag mehr, ohne dass neue Ungeheuerlichkeiten ans Licht kommen.
Abu Gharib - ein Name, der nicht mehr aus den Schlagzeilen kommt. Seine traurige Berühmtheit verdankt das trostlose Nest, eine Autostunde westlich von Bagdad, dem dortigen Gefängnis. Wo unter dem Regime von Saddam Hussein politische Gefangene malträtiert wurden, foltern nun Vertreter der USA-Besatzungsmacht. Die Fälle von ausgeklügelter und sadistischer Perfidie, mit der festgesetzte Iraker zum Reden gezwungen oder einfach nur gedemütigt werden sollen, gehen indes weit über das bislang bekannt gewordene Maß hinaus. So gab es bereits zwischen Oktober und Dezember 2003 im Gefängnis von Abu Gharib zahlreiche Fälle »sadistischer, eklatanter und brutaler krimineller Misshandlungen«. Das enthüllte jetzt der USA-Journalist Seymour Hersh. Und: Die Armeeführung wusste seit Monaten Bescheid über den Horror mit System, wie Hersh an Hand armeeinterner Untersuchungen belegt.
Auch die lange als konziliant und »gentlemanlike« propagierten britischen Verbündeten geben in Irak als Besatzungsmacht kein besseres Bild ab. Die britische Presse schockierte ihre Leser am Montag mit neuen Vorwürfen gegen die Soldaten Ihrer Majestät. Es gebe »Hunderte von Fotos« britischer Soldaten, die die Misshandlung von irakischen Zivilisten zeigten, meldete der »Mirror« unter Verweis auf einen namentlich nicht genannten Militärangehörigen. Er soll der Zeitung zufolge einer der beiden Männer sein, von dem sie ein Foto der Folterung eines Gefangenen durch Mitglieder des »Queens Lancashire Regiments« zugespielt bekommen hatten. Das Verteidigungsministerium in London hat derweil eine Untersuchung über die Echtheit der am Wochenende veröffentlichten Folter-Bilder angeordnet. Einige der im Süden Iraks stationierten Briten seien »völlig außer Kontrolle«, legte unterdessen der Informant des »Mirror« nach.
Dass die Anwendung psychischer und physischer Folter allerdings kaum mit »außer Kontrolle« geratenen Soldaten erklärt werden kann, zeigt aktuell nicht nur die Drahtzieher-Rolle der britischen Militärpolizei in Südirak und des US-Militärgeheimdienstes in Abu Gharib.
Ein Blick auf die USA-Invasion in Afghanistan im Gefolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 zeigt verblüffende Parallelen: Dort war es ein ehemaliger Luftwaffenstützpunkt der Sowjetarmee, wo die US-Amerikaner ihr Verhörzentrum einrichteten - in Bagram, rund 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kabul. Es war die »Washington Post«, die seinerzeit die am Ort angewendeten Praktiken enthüllte. Häftlinge wurden, wie die Zeitung berichtete, bei Gluthitze in Stahlcontainern festgehalten, man zwang sie »in schmerzhafte Positionen«, in denen sie »knallhart« befragt wurden. Beispielsweise nach dem Versteck von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden. Dabei wurde »jeder mögliche Druck« angewendet, so ein US-Geheimdienstler.
Unrühmliche Tradition hat auch, dass sich USA-Militärs nicht unbedingt selbst die Finger und ihre bigotte Moral bei »harten« Verhören schmutzig machen. So sind es in Irak zunehmend private Söldner-Agenturen und Sicherheitsfirmen, die im Auftrag der Armee solche Probleme mit professioneller Skrupellosigkeit »behandeln«. Oder man bringt die Auszupressenden in Länder, deren Menschenrechtsstandards nicht gerade auf dem Niveau der von Washington offiziell propagierten stehen. So berichtete die »Washington Post«, während des Afghanistan-Kriegs seien in Saudi-Arabien für die USA interessante Gefangene unter Anwendung von Folter befragt worden - in Anwesenheit von CIA-Beamten, die sich allerdings diskret in einem Nebenraum aufhielten.
In Zeiten des Vietnamkriegs war es das südvietnamesische Thieu-Regime, dass diese Drecksarbeit für Washington erledigte. Dafür stellte Uncle Sam einen gewaltigen Repressionsapparat zur Verfügung. Neben den Dollarströmen sorgten rund 7000 so genannte Berater aus den USA für die Installierung eines »nationalen Sicherheitsprogramms«. Dessen Intention war es, den Krieg mit anderen, weniger sichtbaren Mitteln weiterzuführen.
Die Fortsetzung des Krieges mit den Mitteln der Folter - dieses ebenso abstoßende wie wenig überraschende Prinzip kommt nun auch in dem allein mit militärischen Mitteln offenbar nicht zu befriedenden Irak zum Tragen.
Zwar mag US-Präsident George W. Bush seine »tiefe Abscheu über die Art, wie die Häftlinge behandelt worden sind«, öffentlich zum Ausdruck bringen. Zwar verurteilte Anthony Blair jede Form von Misshandlung als »völlig inakzeptabel«. Schließlich seien die Invasionstruppen, so der Briten-Premier, nach Irak gegangen, »um mit solchen Sachen Schluss zu machen, nicht um das selbst zu tun.«
Man muss aber viel guten Willen aufbringen, um die von den Regierenden in Washington und London geäußerte Naivität nicht als Kalkül zu werten. Richtig ist: Zu den Untaten, die in Vorbereitung, Führung und »Nachbereitung« von Kriegen der Öffentlichkeit mittlerweile als zwangsläufig und notwendig verkauft werden können, gehört die Folter - noch - nicht. Insofern handelt es sich hier in der Tat um das bislang schlimmste PR-Desaster, das den als Befreier und Demokratiebringer vor über einem Jahr in des Zweistromland eingefallenen Invasionstruppen widerfahren ist.