Angst vor größerem Europa?

Evelin Wittich, Rosa-Luxemburg-Stiftung, über eine Tagung in Cottbus

  • Lesedauer: 2 Min.
Auch gut einen Monat nach der EU-Osterweiterung sind die Hoffnungen beiderseits von Oder und Neiße so groß wie die Ängste. Heute beginnt in Cottbus eine von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Studierendenrat der BTU Cottbus initiierte Konferenz »Wissenschaft und Innovation - Zukunftspotenzial der Europaregion Berlin-Brandenburg«. Über das Treffen sprach ND mit Dr. Evelin Wittich, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
ND: Ist in Berlin und Brandenburg wirklich zu wenig über das erweiterte Europa bekannt?
Wittich: Ja. Ich bin überzeugt, dass die Menschen zu wenig wissen und sich selbst auch zu wenig zutrauen. Viele haben Angst, dass die wenigen übrig gebliebenen Arbeitsplätze durch die EU-Osterweiterung bedroht sind. Ostdeutschland bietet aber eine gute Infrastruktur, die Menschen wollen und können etwas leisten. Welche Entwicklungspotenziale ostdeutsche Regionen bieten, muss stärker herausgearbeitet werden.

Wo liegt das Zukunftspotenzial von Berlin-Brandenburg?
Beispielsweise sind an ostdeutschen Universitäten Wissenschaftspotenziale vorhanden, die, weil sie sich an regionalen Entwicklungen und Innovationen orientieren, aufhorchen lassen. Die Hochqualifizierten werden aber oft nach dem Studium von Firmen in westlichen, kapitalstarken Regionen abgeworben. Diese Fachkräfte würden nur dann bleiben, wenn es entsprechende Herausforderungen gäbe. Dazu sollten anstelle der Leuchtturmprojekte, die meist ohnehin scheitern, kleine Unternehmen gefördert werden, die sich - zusammen mit Forschungseinrichtungen - den wirklichen Zukunftsfragen widmen. Beispiele werden auf der Konferenz diskutiert. Im übrigen sind die Möglichkeiten im Hinblick auf die EU-Osterweiterung keineswegs schlecht. Aber es muss politisch etwas getan werden, damit sich die vorhandenen Potenziale auch entwickeln können.

In den Medien gilt Brandenburg schon als »Wüste«. Kann man da noch von Chancen sprechen?
Sicher ist die Lage schwierig, aber wir müssen uns der gegenwärtig dominierenden Entwicklung entgegenstellen und Kontrapunkte finden, auch wenn die Erfolgschancen nicht zu beziffern sind. Mit der Tagung versuchen wir auch, über die Grenzen hinaus zu agieren. Die Ostdeutschen sollten soviel wie möglich mit anderen Regionen ins Gespräch kommen, gemeinsam Projekte anschieben und sich verstehen lernen. So kann man den Ängsten entgegen wirken.

Eines der innovativen Projekte in Brandenburg ist die Rekultivierung der Bergbaugebiete. Kann so ein Projekt Perspektiven schaffen?
Wenn wir solche Entwicklungen in der Welt noch mehr bekannt machten, ergäben sich große Chancen, in anderen Gegenden, wo ähnliche Probleme zu lösen sind, mit unseren Vorschlägen anzukommen. Damit das funktioniert, muss die Förderpraxis der EU überarbeitet werden und sich beispielsweise an den Arbeitslosenzahlen ausrichten. Gelingt es, die Ergebnisse unserer Tagung in der regionalen und europäischen Politik zu diskutieren und so auf die Entwicklungen Einfluss zu nehmen, wäre allein schon das ein großer Erfolg.

Fragen: Dana Trenkner

Infos zur Tagung: www.rosalux.de

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