- Kultur
- „Das Waldröschen oder Die Verfolgung rund um die Erde“ von Karl May in zehn Bänden komplett im Verlag Neues Leben
Warum Karl-Ost mit Karl-West Arger bekam
Ein neuer Karl May ist da. Der Verlag Neues Leben hat jetzt „Erkämpftes Glück“ herausgebracht. Da werden wir wieder nach Mexiko geführt und begegnen alten Bekannten aus anderen May-Büchern: Juarez, Geierschnabel, Sternau, den Grafen Rodriganda...
Mit den drei Bänden „Erkämpftes Glück“ ist der zehnbändige Zyklus „Das Waldröschen oder Die Verfolgung rund um die Erde“ - genau wie zu Mays Zeiten großspurig als „Enthüllungsroman über die Geheimnisse der menschlichen Gesellschaft deklariert - komplett. Wer die May-Edition in der vertrauten Aufmachung aus diesem Berliner Verlagshaus schätzt und sammelt, wird sich freuen. „Erkämpftes
Glück erscheint unter Zugrundelegung der 1901/1902 im Verlag H.G. Münchmeyer, Dresden-Niedersedlitz herausgegebenen Fassung, verändert lediglich durch moderne Rechtschreibung. Also ganz im Sinne des Autors, der im Jahre 1899 mit Drohgebärde erklärt hatte: „Und wagt es jemand, auch nur eine Zeile meines Manuskriptes zu ändern oder gar sogenannte Verbesserungen anzubringen, so bekommt er keinen einzigen Buchstaben mehr von mir. Du weißt ja, wie streng meine Verleger sich an diese meine stets allererste Bedingung zu halten haben. Es ist genug, daß ich ihnen die neue, noch gar nicht reife Orthographie gestatte. Korrekturen aber auf keinen Fall, denn
jedes meiner Worte ist mein unangreifbares geistiges Eigentum. Andere mögen sich von den Redaktionen um- und ausflicken lassen, ich nicht!“
Neues Leben - der einstige erfolgreiche Jungendbuchverlag der DDR, dem es gelang, sich auf dem heutigen Markt zu behaupten - hat sein May-Editionsprogramm im Jahre 1982 begonnen. Zunächst hatte „Winnetou“ die Szene betreten. Ihm folgten „Der Sohn des Bärenjägers“, „Der Schatz im Silbersee“, „Der Ölprinz“, „Old Surehand“ und wie die seit Generationen beliebten Buchtitel alle heißen. 56 Bände sind es inzwischen. Die Gesamtausgabe, auf den ursprünglichen Fassungen basierend, soll am Ende 80 Bän-
de zählen. „Aber wir werden nicht mehr davon sprechen, daß es sich um .Originalausgaben' beziehungsweise um .Originalfassungen' mit ihren .Originaltiteln' handelt“, sagt Verlagschef Rudolf Chowanetz, der sich bei Neues Leben schon seit „Winnetou“ für Karl Mays Werke engagiert. Als nämlich vor zwei Jahren „Die Liebe des Ulanen“ mit dieser „Original“-Werbung in die Buchläden kam, kriegte Karl-Ost Ärger mit Karl-West. Und das, obwohl die fünfbändige Erzählung tatsächlich in der Textfassung von 1901 mit den Buchtiteln der Ausgabe von 1905 aufgelegt worden ist.
Aber der Karl-May-Verlag, 1913 in Radebeul gegründet und von den Erben des Mitbe-
gründers Euchar Schmid (seinen Söhnen Lothar, Joachim und Roland) später nach Bamberg verlegt, erhob Klage und meldete eine Art Alleinrecht auf alle mit „original“ verknüpften Begriffe an. Das Landgericht Nürnberg fällte ein dementsprechendes Urteil. Daran hält sich nun Neues Leben. Obgleich andererseits der originale Karl May bereits seit 1962 nach dem Urheberrecht gemeinfrei ist, also verwertbar für jedermann. „Allerdings ist die Problematik von .Originalfassungen' vor Gericht weder inhaltlich berührt noch einer richterlichen Entscheidung unterzogen worden“, ergänzt Chowanetz.
Wenn es darum ginge, könnte Neues Leben möglicherwei-
se auf längst existierende Gutachten etablierter May-Experten verweisen, wonach laut „Spiegel“ nicht alle aus Bamberg kommenden Abenteuer „die Originale, sondern das Ergebnis Schmidscher Redigierarbeit“ seien. Es sei ein einmaliger Skandal, zitiert das Hamburger Magazin Heiner Tauber vom Kölner Parkland Verlag, „daß ein so vielgelesener Autor von seinem Verleger so gründlich verfälscht wurde“. Welcher Karl ist nun original „original“? Da kann man nur mit Winnetou sagen: Uff! Oder in Anlehnung an die gerade bei Neues Leben erschienenen Titel fragen: Erkämpftes Glück - für wen?
KLAUS HAUPT
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