Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Kultur
  • „Das Waldröschen oder Die Verfolgung rund um die Erde“ von Karl May in zehn Bänden komplett im Verlag Neues Leben

Warum Karl-Ost mit Karl-West Arger bekam

  • Klaus Haupt
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein neuer Karl May ist da. Der Verlag Neues Leben hat jetzt „Erkämpftes Glück“ herausgebracht. Da werden wir wieder nach Mexiko geführt und begegnen alten Bekannten aus anderen May-Büchern: Juarez, Geierschnabel, Sternau, den Grafen Rodriganda...

Mit den drei Bänden „Erkämpftes Glück“ ist der zehnbändige Zyklus „Das Waldröschen oder Die Verfolgung rund um die Erde“ - genau wie zu Mays Zeiten großspurig als „Enthüllungsroman über die Geheimnisse der menschlichen Gesellschaft deklariert - komplett. Wer die May-Edition in der vertrauten Aufmachung aus diesem Berliner Verlagshaus schätzt und sammelt, wird sich freuen. „Erkämpftes

Glück erscheint unter Zugrundelegung der 1901/1902 im Verlag H.G. Münchmeyer, Dresden-Niedersedlitz herausgegebenen Fassung, verändert lediglich durch moderne Rechtschreibung. Also ganz im Sinne des Autors, der im Jahre 1899 mit Drohgebärde erklärt hatte: „Und wagt es jemand, auch nur eine Zeile meines Manuskriptes zu ändern oder gar sogenannte Verbesserungen anzubringen, so bekommt er keinen einzigen Buchstaben mehr von mir. Du weißt ja, wie streng meine Verleger sich an diese meine stets allererste Bedingung zu halten haben. Es ist genug, daß ich ihnen die neue, noch gar nicht reife Orthographie gestatte. Korrekturen aber auf keinen Fall, denn

jedes meiner Worte ist mein unangreifbares geistiges Eigentum. Andere mögen sich von den Redaktionen um- und ausflicken lassen, ich nicht!“

Neues Leben - der einstige erfolgreiche Jungendbuchverlag der DDR, dem es gelang, sich auf dem heutigen Markt zu behaupten - hat sein May-Editionsprogramm im Jahre 1982 begonnen. Zunächst hatte „Winnetou“ die Szene betreten. Ihm folgten „Der Sohn des Bärenjägers“, „Der Schatz im Silbersee“, „Der Ölprinz“, „Old Surehand“ und wie die seit Generationen beliebten Buchtitel alle heißen. 56 Bände sind es inzwischen. Die Gesamtausgabe, auf den ursprünglichen Fassungen basierend, soll am Ende 80 Bän-

de zählen. „Aber wir werden nicht mehr davon sprechen, daß es sich um .Originalausgaben' beziehungsweise um .Originalfassungen' mit ihren .Originaltiteln' handelt“, sagt Verlagschef Rudolf Chowanetz, der sich bei Neues Leben schon seit „Winnetou“ für Karl Mays Werke engagiert. Als nämlich vor zwei Jahren „Die Liebe des Ulanen“ mit dieser „Original“-Werbung in die Buchläden kam, kriegte Karl-Ost Ärger mit Karl-West. Und das, obwohl die fünfbändige Erzählung tatsächlich in der Textfassung von 1901 mit den Buchtiteln der Ausgabe von 1905 aufgelegt worden ist.

Aber der Karl-May-Verlag, 1913 in Radebeul gegründet und von den Erben des Mitbe-

gründers Euchar Schmid (seinen Söhnen Lothar, Joachim und Roland) später nach Bamberg verlegt, erhob Klage und meldete eine Art Alleinrecht auf alle mit „original“ verknüpften Begriffe an. Das Landgericht Nürnberg fällte ein dementsprechendes Urteil. Daran hält sich nun Neues Leben. Obgleich andererseits der originale Karl May bereits seit 1962 nach dem Urheberrecht gemeinfrei ist, also verwertbar für jedermann. „Allerdings ist die Problematik von .Originalfassungen' vor Gericht weder inhaltlich berührt noch einer richterlichen Entscheidung unterzogen worden“, ergänzt Chowanetz.

Wenn es darum ginge, könnte Neues Leben möglicherwei-

se auf längst existierende Gutachten etablierter May-Experten verweisen, wonach laut „Spiegel“ nicht alle aus Bamberg kommenden Abenteuer „die Originale, sondern das Ergebnis Schmidscher Redigierarbeit“ seien. Es sei ein einmaliger Skandal, zitiert das Hamburger Magazin Heiner Tauber vom Kölner Parkland Verlag, „daß ein so vielgelesener Autor von seinem Verleger so gründlich verfälscht wurde“. Welcher Karl ist nun original „original“? Da kann man nur mit Winnetou sagen: Uff! Oder in Anlehnung an die gerade bei Neues Leben erschienenen Titel fragen: Erkämpftes Glück - für wen?

KLAUS HAUPT

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.