- Kultur
- Zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. Heinrich Scheel
Ein Scharfenberger
Heinrich Schee Foto: ND/Archiv
lehrte ihn den Umgang mit deren Schriften, wozu der demokratische Geist und die liberale Atmosphäre der von Wilhelm Blume begründeten und viele
an damals, „daß ich als Schulleiter letztlich dafür die Verantwortung hatte und im schlimmsten Fall sogar wegen Verstoßes gegen das Verbot nazistischer Literatur mit einer Freiheitsstrafe rechnen konnte. Beide Herren legten beim Abschied großen Wert darauf, daß ich auch dessen wirklich eingedenk war.“ Natürlich ging es nicht um das Schulbuch. Die ganze Richtung paßte nicht.
Heinrich Scheel war schon als Schüler auf Scharfenberg, einer 1922 gegründeten Reformschule mit Schülerselbstverwaltung und Betätigung in Arbeitsgemeinschaften (Landwirte, Gärtner, Tischler, Schlosser...). Ein junger Lehrer, Hans Gaertner, der aus Hamburg gekommen war, machte ihn zu dieser Zeit auch mit den Grundgedanken von Marx und Engels vertraut und
Jahre geleiteten Schulfarm Scharfenberg gute Voraussetzungen bot. Nach seinem Kampf in der „Roten Kapelle“, nach Moorlager, „Bewährungs“-Bataillon 500 und USamerikanischer Kriegsgefangenschaft übernahm Scheel inzwischen Mitglied der SED am 20. Januar 1947 den Deutsch-Unterricht auf der Insel und später die Leitung der dann dem Berliner Hauptschulamt Ernst Wildangels unterstellten Schulfarm Scharfenberg. Der junge Pädagoge, knapp über dreißig, mußte nicht reglementieren; sein Auftreten, ja seine bloße Anwesenheit schien alles wie von selbst zu ordnen.
Als mm die Spaltung Berlins in vollem Gange war und ein Grund gesucht,wurde, Scheel abzusetzen, konnte der wirklich nicht im fachlichen Be-
reich gefunden werden. Ein Schülerstreik auf der Insel Scharfenberg gegen seine beschlossene Entfernung aus der Reformschule, auch um diese grundsätzlich inhaltlich zu verändern, zeigte die Verbundenheit mit solcher großartigen Lehrer-und Leiterpersönlichkeit: Eine Abstimmung unter den 85 Schülern hatte ergeben, daß, bei Abwesenheit von zwei Jugendlichen, 80 Schüler mit ihrer Unterschrift für den Verbleib Heinrich Scheels votierten. Dennoch: Scheel mußte gehen. Und mit ihm 31 „renitente“ Schüler. Weitere 30 gingen schließlich freiwillig. Und Reform-Scharfenberg hörte auf zu existieren. Auf der Insel im.Westen. Aber auch mit dem Nachfolge-Internat im Osten. Heinrich Scheel dieser Tage dazu: „Wir hatten ja damals noch unter Federführung Wildangels - in ganz Berlin mit Hilfe der SPD die Einheitsschule durchgesetzt. Aber diese Einheitsschule ist schließlich systematisch kaputtgemacht worden - im Westen durch die Standesschule und im Osten
durch das Kopieren des sowjetischen Modells.“
Voller Tatendrang begann Heinrich Scheel als Leiter des „Hauses der Kinder“ in Berlin-Lichtenberg. Als diese Einrichtung von der UdSSR der DDR und letztlich dem Zentralrat der FDJ übergeben war, fand er nach einem Urlaub seinen Platz von einem neuen Leiter besetzt. Wie das damals nicht unüblich war. Der völlig absurde Vorwurf: politische Unzuverlässigkeit und Beziehungen zu Israel, ja möglicherweise sogar zu dessen Geheimdienst. .
Über die Stationen Hauptschulamt (Fachschulrat für Geschichte) und Pädagogische Hochschule verficht Heinrich Scheel schließlich als geachteter Historiker, langjähriger Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften und Präsident der DDR-Historikergesellschaft, Verfasser des dreibändigen Werkes „Die Mainzer Republik“, immer wieder seinen selbst gestellten Auftrag, konsequent Mitgestalter des Pro-
gressiven zu sein. „Für mich wurde die Aneignung der theoretischen Grundgedanken des Marxismus während meiner Zeit auf der Schulfarm Scharfenberg das Schlüsselerlebnis, das mich am Ende zum marxistischen Historiker finden ließ“, schreibt er im ersten Teil seiner Autobiografie „Vor den Schranken des Reichsgerichts/ Mein Weg in den Widerstand“ So hat Prof. Dr. phil. habil, Dr. phil. h.c. Heinrich Scheel seit Ende der achtziger Jahre auch an Veranstaltungen der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg und an der Gedenkstätte Deutscher Widerstand mitgearbeitet.
Zu seinem heutigen 80. Geburtstag ehren ihn nun die Evangelische Akademie, die Schulfarm Scharfenberg und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand mit einer Festveranstaltung im Haus der Kirche in der Berliner Goethestraße. Zur Feier werden sich nicht wenige Alt-Scharfenberger einfinden
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.