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  • Kultur
  • Fünf spannende Fernsehabende: „Der Schattenmann“ von Dieter Wedel(ZDF)

Kolportage, die das Leben schrieb

  • PETER HOFF
  • Lesedauer: 4 Min.

Hätten sie doch früher abjeblendt! Die Geschichte war eigentlich schon zehn Minuten vor Filmschluß zu Ende, als King (Heinz Hoenig) im vorweihnachtlichen Frankfurt seine Abrechnung mit der Gesellschaft hält, wenn die abenddunkle Silhouette der Paulskirche, Symbol parlamentarischer Demokratie, vor den glitzernden Geldpalästen von Mainhattan erscheint, wenn wir also in Wort und Bild bestätigt bekommen, wem hierzulande die Macht gehört. Der Rest ist Melodram: die Verhaftung des kriminellen Unternehmers Herzog (Mario Adorf), dem Undercoveragent Held (Stefan Kurt) ein intimes Geständnis seiner Untaten abnötigt, das scheinbare Happy End, wenn Held rehabilitiert das Gefängnis verlassen darf, und der nur angedeutete Mordanschlag auf Held, Wiederholung eines früheren Mordes, der auf Herzogs Konto ging. Doch mit diesen überflüssigen zehn Minuten wurde im Bewußtsein des verunsicherten Zuschauers die Welt wieder ins Lot gebracht, die vorher so furchtbar aus der Bahn gelaufen war; wir sollten mit unserer Sozialordnung versöhnt werden, die Herzog und seine Verbrechen erst möglich macht, und wir sollten glauben lernen, daß es nur einige wenige Kriminelle im guten Tuch sind, die diese Ordnung so sehr in Mißkredit bringen.

Insgesamt zehn Stunden lang hatte uns Dieter Wedel zuvor anderes erzählt. „Der Schattenmann“ in seinem neuen Fünfteiler ist Hauptkommissar Charly Held vom Ressort „Organisierte Kriminalität“ der Frankfurter Kripo. Er

wird als verdeckter Ermittler eingesetzt, um die Machenschaften einer Interessengruppe um den Immobilienspekulanten Herzog aufzuklären, die freilich mit weitem Radius aktiv ist. Das Geschäft mit Häusern und Grundstücken ist zwar das Herzstück des Unternehmens, Glücksspiel, Rauschgift- und Plutoniumhandel gehören jedoch ebenso zum Angebotskatalog von „Herzog Investments“. Held,' der sich „von Hellberg“ nennt und einen ehemaligen Stasi-Mann (aus der „Kommerziellen Koordinierung“) mimt, gerät in einen tiefen Interessenkonflikt. Der kleine Sicherheitsbeamte lernt ein Leben kennen, von

und offenkundig übertreibenden Mitteln. Die scheut Wedel nirgends. Er greift gekonnt zu den wirkungssicheren Stereotypen. Die Bösewichte sehen so aus, daß niemand ihnen ohne Zittern auf der Straße Feuer geben würde, und wenn sie noch so nett darum bäten. Und jeder ist mit jedem ganz individuell verbandelt. Es wird ungeniert getötet, schöne Frauen“ sind Handelsware. Wo im „wirklichen Leben“ sich die Geschäfte über verschlungene Pfade abwickeln lassen, wählt Wedel im Interesse der Anschaulichkeit seiner Geschichte die Dramaturgie der kurzen Wege. Und der Bösewicht hat einen Sohn, den er liebt und der an der Bluterkrankheit leidet. Der Autor läßt diesen Sohn, als sein Vater sich als Sieger fühlt, so unglücklich stürzen, daß er an den Verletzungen stirbt: Klischee, aber auch Symbolhandlung.

Die Rechnung mit den erprobten Wirkungsfaktoren geht vollends auf. „Der Schattenmann“ - das waren mehr als zehn Stunden spannende Unterhaltung, die gröbsten Effekte hatten noch immer Eleganz. Dazu hatte Dieter Wedel aber eben auch ein Allstar-Ensemble verpflichtet. Mario Adorf spielte den zwielichtigen Ehrenmann, auf den er seit Faßbinders „Lola“ abonniert ist. Heiner Lauterbach, sonst auf die Nothelfer im Staatsdienst festgelegt, gibt einen aalglatten Nadelstreifengangster. Heinz Hoenig ist der ideale Partner von Held, ein Horatio neben dem zwiegespaltenen Hamlet, der die aus den Fugen gegangene Welt wieder einrenken will. Den spielt Stefan Kurt, ein noch wenig bekann-

ter Schauspieler mit starker Ausstrahlung und einer breiten Ausdruckspalette, zudem eine unverbrauchte Persönlichkeit, der man noch mit Interesse zuschaut. In den kleinen Rollen eines Apothekerpaares zwei der ganz großen deutschen Schauspieler- Louise Martini und Martin Benrath! Die Frauenrollen sind weniger gefächert, sind einschichtiger als die Männergestalten. Maja Maranow und Jennifer Nitsch ga*' ben den Frauen erstaunliches Profil, holten die „Mädchen fürs Geld“ aus dem Klischee und zeigten widersprüchliche Persönlichkeiten, die in den Konflikt zwischen Liebe und Geschäft geraten sind und daran scheitern.

„Der Schattenmann“ gibt in Gestalt des Polizistenthrillers ein Gleichnis auf unsere Gesellschaft. Die Zentralgestalt ist darin der Politiker Hans Zöllmann (Günter Strack). In „Frontal“ stritten am Dienstag Ulrich Kienzle und Bodo Hugo Hauser, welcher Partei dieser Mann angehört, der im Verlauf der Handlung immerhin mal zum hessischen Innenminister aufsteigen darf. Sie kamen zum Schluß, daß er in allen staatstragenden Parteien der Bundesrepublik zuhause sein könnte. - Vielleicht liegt darin der Schlüssel zur Moral dieses Films, die sonst nur schwer zu finden ist: Dieser Staat ist, wie er ist, weil er nur so die gegebene gesellschaftliche Ordnung bewahren kann; und Aufgabe der Polizei bleibt, am großen Unrecht nicht zu rütteln, denn sonst gefährdet sie den Rechtsstaat. Das ist freilich lange nicht mehr so offen ausgesprochen worden. Hut ab, Dr. Wedel!

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