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  • Kultur
  • Heute wird die Schauspielerin Maria Schell siebzig Jahre alt

»Das Beste seit Beethoven“

  • Lesedauer: 3 Min.

Foto: dpa

Herzilein, du mußt nicht traurig sein ... - Nein, mit dem Gesang der Fettbacken aus Wildeck hat Maria Schell im Prinzip nichts zu tun. Oder doch nur ganz wenig: eben „Herzilein“ und „Traurigsein“, zwei Seelenzustände, die die meisten ihrer Rollen bestens charakterisieren. Maria mit dem langen, fragenden Augenaufschlag. Ewig emotional und immer etwas naiv Das personifizierte Streben nach Wärme und Geborgenheit. Eine Aktrice, ständig balancierend auf dem schmalen Grat zwischen Sensibilität und Kitsch. Ihr Hollywood-Kollege Marion Brando jubelte einst, sie sei das Beste aus Deutschland seit Beethoven.

Daß sie heute siebzig wird, hat sie unter anderem jenem glücklichen Zufall zu verdanken, der sie vorm selbstgesuchten Tod ins Leben zurückkatapultierte. Vor wenigen Jahren, als sie wieder einmal nichts mehr auszuhalten glaubte von den Schmerzen der Welt und des eigenen Herzens. Ihr Geliebter, der russische Komponist Rodion Schtschedrin, war weit weg. Neue Aufgaben nicht in Sicht. Dafür lagen sechzig Schlaftabletten griffbereit. Da sah alles so ähnlich aus wie in ihren großen melodramatischen Filmen ... Jetzt, sagte Maria Schell, möchte sie am liebsten 157 werden. Und baut doch schon, sicher ist sicher, in der Nähe ihrer Kärntner Alm eine kleine Kapelle nebst Privatfriedhof für sich und die Familie.

Am liebsten habe ich sie mit O. W Fischer gesehen, als Traumpaar der Fünfziger Fischer - der Dämon. Die Schell - das Seelchen. Im Anhang zu Fischers Memoirenband findet sich ein Foto aus „Solange du da bist“ (1953). O.W mit in Falten gelegter Stirn und graumelierten Schläfen, kauert vor Maria. Sie hat die Hände im Schoß, die Augen geschlossen, wie unter Hypnose. Er suggeriert ihr, was sie zu tun habe. Ein Motiv, das das Verhältnis der beiden auf der Leinwand wunderbar charakterisiert. Die Symbiose eines Exzentrikers und einer Nonne, des Biestes und der Jungfrau. Vierzig Jahre später hat Maria Schell über ihre Zuneigung zu 0. W geschrieben: „Unsere Beziehung hat sich sehr schnell in Freundschaft verwandelt. Weil er meine romantische Liebe zu ihm nicht umsetzen konnte.

Weil er tatsächlich der Meinung ist, daß der Sexus eine geistige Verschwendung ist. Ein Fehler, wie ich finde.“

Geboren 1926 in Wien, entstammt sie einem gediegenen Künstlerhaushalt. Die Mutter Margarete Noe von Nordberg, die erst im vergangenen November verstarb, war Schauspielerin, der Vater Schriftsteller und Lyriker Auch zwei Brüder - Maximilian und Carl - sowie die Schwester Immy ergriffen den Schauspielerberuf. Ihre erste bedeutsame Rolle bekam die Schell in einem Schweizer Film: „Steinbruch“ (1942). 1950 avancierte sie an der Seite von Dieter Borsche dann zum Star des Adenauer-Kinos. Und wurde in die Welt geholt: Frankreich rief und Hollywood. Überall rührte sie zu Tränen. Überall verknallte sie sich in ihre Partner: Gary Cooper zum Beispiel oder Glenn Ford. Heute seien Sokrates und Homer ihre größten Leidenschaften, antwortete

sie, die zweimal Geschiedene, neugierigen Interviewern.

Ihre schönste Rolle blieb die Kinderärztin in Helmut Käutners Antikriegs-Melodram „Die letzte Brücke“ (1953). Die Dreharbeiten hatten in Jugoslawien stattgefunden, auf der Jahrhunderte alten Brücke von Mostar Die wurde inzwischen im Bürgerkrieg zerstört. Das bedrückt die Schell und aktiviert sie zugleich zu humanitärer Hilfe. „Die Welt“, kommentierte sie ihr Engagement, sei „in einem totalen Umbruch. Auf der einen Seite Destruktion, Krieg, Mafia, Gewinnsucht und Drogen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine Renaissance der Werte. Es ist im Moment ein irrsinniger Kampf zwischen zwei Positionen, aber in etwa vier, fünf Jahren wird er für das Gute entschieden sein.“ Dafür wolle sie selbst etwas tun. Denn: „Ich finde, wir leben in einer wahnsinnig spannenden Zeit.“

RALF SCHENK

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