- Kultur
- Zum 75. Geburtstag der Schriftstellerin Margarete Hannsmann
Aufbäumengegen Vergeblichkeit
Foto: Peter Peitsch
Vor fünf Jahren, als sie 70 wurde, erschien ihr „Tagebuch meines Alterns“, das den Versuch beschreibt, sich „altersgemäß“ zurückzuziehen aus dem Trubel gesellschaftlichen Lebens - weniger Lesungen, seltener an Sitzungen verschiedenster Art teilnehmen, den toten Freunden leben, allein sein. Das gelang ihr kaum, zumal gerade im Jahr des Tagebuchschreibens 1989 die politischen Ereignisse immer spannender wurden und eine Frau wie Margarete Hannsmann erregen mußten. Fast widerwillig notierte sie ihre Beobachtungen bei den Fernsehsendungen von den ersten Leipziger Demos, Freude und Angst wechseln sich in ihr ab, und nur ein Unbeteiligter kann heute ihre Ahnungen vom Silvestertag 1989 ohne Erschütterung lesen. Sie wußte ja so vieles im voraus!
Auf übliche Art zu leben, zu altern, ist bei ihr nicht drin. Die letzten fünf Jahre haben
sie viel Kraft gekostet, denn sie hat sich nicht weise und abgeklärt zurückgezogen oder sich so geäußert, daß es ins BILD paßte. Als die ersten Stasi-Verdächtigungen aufkamen, stand sie unaufgefordert für ihren Freund Franz Fühmann ein. Als es dann sie traf, waren we-
nige der alten Freunde an ihrer Seite. Aber sie ließ sich ihre Erlebnisse und Erinnerungen nicht auswechseln. Als die Mehrheit im West-PEN sich gegen eine Vereinigung mit denen aus dem Osten entschied, erinnerte sie sich in ihrer Abschiedsrede als langjähriges Präsidiumsmitglied an Begegnungen mit Schriftstellern, Künstlern und Leuten aus und in der DDR, ohne die damaligen Schattenseiten besonders herauszustellen. So benahm sie sich daneben und stand allein.
Diese Erfahrung war für sie zwar nicht neu, denn Margarete Hannsmann ist durch harte Schulen gegangen. Die Erkenntnis, als Jugendliche im BDM falschen Führern gefolgt zu sein, machte sie wach und mißtrauisch gegen Angepaßtheit. Verbotene Bücher hatten ihr die Augen für eine' andere Welt geöffnet. Relativ spät schaffte sie als Schriftstellerin
den Durchbruch, fand „ihre“ Sprache. Die Jahre mit HAP Grieshaber 1967-1981 nennt sie die „Zeit, als mein Leben reif genug war, seinen Höhepunkt auszuhaken“ Es waren Jahre produktiver Partnerschaft, in der wunderschöne Gedichte und Bücher entstanden, und zur gleichen Zeit engagierte sich das Paar Grieshaber/ Hannsmann im Kampf gegen die griechische Diktatur, gegen den Mißbrauch der Natur, für das Recht auf Arbeit und Kultur Sie wollten Sand im Getriebe sein, sich einnisten im Ausweglosen, sich aufbäumen gegen Vergeblichkeit. Subjektives Bekenntnis und gesellschaftliches Engagement sind eins, und die Lyrikerin fürchtet sich nicht, großen Gefühlen Ausdruck zu geben. In einer Welt und Zeit der „coolness“ besingt sie die Hingabe an den Geliebten, so wie sie auch nach dessen Tod ihrer Trauer literarische Gestalt gibt: „Pfauenschrei. Die Jahre mit
HAP Grieshaber“ - ein Prosatext der Erinnerung - und „Du bist in allem“ - ein Gedichtzyklus, der die Phasen von Trauer einfängt.
Ihre zuletzt erschienenen Bücher- „Irische Drift“ (1994), „Laurin“ (1994), „Zugefahren“ (1995) und „Verwitterungen“ (1995) - wurden, obwohl es keine Zensur gibt, aber Unangepaßtheit sich gerade jetzt nicht rechnet, nicht mehr bei Klett-Cotta verlegt, sondern jeweils „klein, aber fein“ bei Of-
fizin S. Meran, in der Eremiten-Presse und im Warmbronner Verlag Ulrich Keicher Gegenstand vieler Gedichte sind das Erlebnis Israel, die späte Begegnung mit Prag und der Abschied von Griechenland. Es sind Natur- und Liebesgedichte einer Autorin, die noch immer und immer wieder erschütterbar ist. Sarajevo ist anwesend und - wie sollte es anders sein - „das wunderbare Ungeheuer NOCHNICHT“
CHRISTEL BERGER
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