Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

  • Kultur
  • „Mercedes“ von Thomas Brasch im BE

Ohne Perspektive

  • Lesedauer: 2 Min.

Zunächst einmal ist zu begrüßen, daß ein Text Thomas Braschs auf dem Spielplan des Berliner Ensembles erscheint. Seit der Schließung des Schiller Theaters ist der Autor ohne feste Wirkungsstätte, ohne „Laboratorium“, in dem er auf seine unkonventionelle Weise mit sozialer Wirklichkeit experimentieren kann. Seine lebenstrotzigen Spielvorschläge sind für Schauspieler wie Publikum eine Herausforderung. So auch sein Opusculum „Mercedes“ aus dem Jahre 1983 (Uraufführung 1983 am Schauspielhaus Zürich, Regie Matthias Langhoff; DDR-Erstaüfführung 1988 am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, Regie Jochen Ziller). Die Gemeinschaftsproduktion jetzt mit der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf, Regie Veit Schubert, unternommen in der Probebühne mit Studenten des 2. Studienjahres, ist ein Achtungserfolg für die Ausbildung wie für den Autor.

Der durchaus aktuelle Reiz des Textes: Oi und Sakko, zwei arbeitslose junge Deutsche, jonglieren mit ihrem Traum, einem Auto, einem „Merce-

des Allerdings nicht wirklich, sondern mit Hilfe ihrer Phantasie. Hurtig werden mit Kreide wichtige Details an eine Tafel gemalt: Airbag, Klimaanlage, Telefon, Stereo-Lautsprecher. Locker überspringen Oi und Sakko alle Regeln, vor allem die des Verkehrs, die Gesellschaft wie Alltag vorgeben. Sie kurven neugierig in die Natur wie nachdenklich zurück in den Weltkrieg. Sie probieren Liebe, und sie fahren einander tot. Enttäuschte Hoffnungen in einer Welt, die der Jugend keine Perspektive geben kann.

Die episodische Stück-Konstruktion ist für Studenten kein leichtes Spielmaterial. Daß Misel Maticevic und Andree Solvik abwechselnd den Sakko und den Mann im Auto geben, ist ihrer Ausbildung dienlich, dem Textverständnis nicht. Beide Eleven kommen mit den verhaltenen Passagen noch am besten zurecht. Die schnoddrige Lockerheit, die der Autor will, braucht mehr sprecherische Präzision. Svea Petersen als dralle Oi überzeugt, wenn sie schnippisch ist.

GERHARD EBERT

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.