- Kultur
- WER IST WER IM JUDENTUM
Ein skandalöses, antisemitisches Machwerk
ganze Nationalhymne und viele vaterländische Lieder“
Wenn ausgerechnet dieser Verlag ein „Lexikon der jüdischen Prominenz“ herausgibt, mit der Begründung: „Warum... sollte angesichts der Fülle an Lexika über unterschiedlichste Gruppen ausgerechnet eine jüdische Lücke in den Bücherschränken klaffen?“, kann kein Zweifel über die Absicht aufkommen. Hier werden rechtslastige und antisemitische deutsche Stammtische mit Material bedient.
Und das sieht so aus: In dem mehr als eine Spalte umfassenden Artikel über Albert Einstein kein Wort über seine genialen Entdeckungen und überragenden wissenschaftlichen Leistungen, Selbstverständlich schon gar nicht über seinen Antifaschismus. Dagegen die Meinungsäußerung, es erscheine erstaunlich, „daß ihm in Deutschland viel Verehrung widerfährt“, habe er doch „schon vor Ausbruch des»
David Korn: Wer ist wer im Judentum? Lexikon der jüdischen Prominenz. Ihre Herkunft. Ihr Leben. Ihr Einfluß. FZ-Verlag, München 1996. 512 S., Pb., 49.80 DM.
Zweiten Weltkrieges US-Präsident Roosevelt zum Bau einer gegen Deutschland gerichteten Atombombe“ aufgefordert. Mit dem Zitat eines Publizisten wird behauptet: „Einstein empfand ,Haß gegen die Deutschen, der ihn seit seiner Schulzeit (!) erfüllte'“ Die Meinung eines britischen Historikers wird zitiert, Einstein wäre „von einem Deutschenhaß besessen, der paranoide (also krankhafte) Züge trug.“
Zu Siegmund Freud erfährt man zwar in zwei Worten, daß er „seine Psychoanalyse“ entwickelte, vor allem aber, daß er mit der „Verherrlichung des Kokains... eine erste Rauschgiftwelle in Europa“ auslöste und: „Seine Fixierung auf das
Sexuelle hat die Pornographisierung der westlichen Gesellschaften in den 70er und 80er Jahren maßgeblich mitbewirkt.“ Es ist durchgängige Methode des „Lexikons“, vor allem jüdische Quellen zur Diskreditierung der behandelten Personen zu nutzen. In diesem Fall wird ein israelischer Philosoph damit zitiert, Freuds Psychoanalyse sei „hauptsächlich eine jüdische Möglichkeit, Geld zu verdienen“
Von Ernst Blochs wissenschaftlichem Werk weiß das „Lexikon“ ebenso wenig zu berichten wie von dem Einsteins, dagegen vermeldet es, im „Nachruf der National-Zeitung habe es geheißen: „Ein Dinosaurier des Marxismus-Leninismus ist tot.“
Egon Bahr wird als „Drahtzieher der sogenannten neuen Ostpolitik“ bezeichnet, die „auf .Anerkennung der Realitäten' abzielte (Verlust der Ostgebiete; DDR als eigener Staat).“
Der Antisemitismus des Buches wird an einigen Stellen notdürftig und allzu durchsichtig verschleiert: Zu Janusz Korczak wird geschrieben, sein Schicksal müsse „jeden anständigen Menschen zutiefst berühren“. Er sei in Treblinka „umgekommen“ Opfer des Massenmordes in Auschwitz und anderen Vernichtungsstätten der Nazis wird man ansonsten unter den Tausenden Namen des Handbuchs kaum finden.
Von dem Professor an der Bundeswehrhochschule Michael Wolffsohn ist dagegen zu erfahren: „Er rät zur Mäßigung bei der NS-,Bewältigung', wendet sich sowohl gegen Kollektivbezicntigungen wie gegen nationale Minderwertigkeitskomplexe der Deutschen und verurteilt den Einsatz der ,Auschwitz-Keule' als moralisierendes Totschlagargument...“ Im Vorwort heißt es denn auch, Verlag und Her-
ausgeber verhehlten nicht, „daß ihnen nationalgesinnte jüdische Persönlichkeiten besonders sympathisch sind“ Was damit gemeint ist, zeigen nicht nur die zitierten Stellen, sondern der ganze Band. Es handelt sich um ein unwissenschaftliches, skandalöses Machwerk, und es ist nur zutiefst zu bedauern, daß so etwas in der Bundesrepublik überhaupt erscheinen kann.
Daß lebende Persönlichkeiten, die in dem Buch erwähnt werden (darunter nicht wenige PDS-Mitglieder) und nahe Angehörige Verstorbener auf dem Rechtsweg gegen den Verlag vorgehen, ist zu erwarten und zu hoffen. In den nächsten Wochen wird die Haltung der bundesrepublikanischen Behörden und der etablierten Parteien zu diesem Buch zu beobachten sein und ein Schlaglicht auf die Verfaßtheit dieser Republik werfen.
ANDRE BRIE
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