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  • Kultur
  • DIE NEUEN ALTEN SEUCHEN

Gefahren aus der Mikroweit

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Infektionskrankheiten sind erneut im Vormarsch. Darin sind sich alle drei Autoren der Bücher einig. Die Ursachen auch das sehen alle drei in gleicher Weise - sind die oftmals leichtfertig eingesetzten Antibiotika, die zu Resistenz und zu Mutationen von Mikroorganismen geführt haben. Zudem hat der Glaube, mit Antibiotika alles in den Griff zu bekommen, die Forschungen auf diesem Gebiet vernachlässigt. Als die Erkrankungen an alten infektiösen Leiden wieder zunahmen und nun noch „neue Plagen“ hinzukamen, stand die Medizin wie Gesundheitspolitik vieler Länder auf schwacher Position.

Zu Beginn der 60er Jahre tauchte eine Krankheit auf, die

später „Bolivianisches Hämorrhagisches Fieber“ genannt wird. Wer sich damit infizierte, starb innerhalb von vier Tagen unter Folterqualen. 1967 wurde ein anderes, ebenso qualvolles Leiden bekannt, ausgelöst sogenannten Marburg-Virus. Infizierte Opfer bluteten

Laurie Garrett. Die kommenden Plagen. Neue Krankheiten in einer gefährdeten Welt. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1996. 1017 S., geb., 68 DM.

Jeffrey A. Fisher- Krankmacher Antibiotika. Warum Seuchen wiederkommen. Deutscher Taschenbuch Verlag 1995. 323 S., br., 19,90 DM. Peter Sichrowsky/ Peter Scheer- Resistent. Die Wiederkehr der Seuchen. Berlin Verlag, Berlin 1995. 215 S.. br.. 29.80 DM.

sich zu Tode. 1969 wurde in Lassa (Nigeria) zum ersten Mal ein Fieber beobachtet, das Blutzellen und Blutplättchen zerstört. Die Infizierten sterben meist nach einer Woche. 1976 kam ein Hilferuf aus Yandongi (Zaire). Hier war eine Epidemie ausgebrochen, gegen die ebenfalls keine Gegenmittel zur Verfügung standen. Die meisten starben nach schrecklichen drei Tagen. Sie hatten sich mit dem später so benannten Ebola-Virus infiziert.

In der dritten Welt wie in den Industrieländern stand man vor der gleichen Frage: Wie kann man den „neuen Plagen“ sowie der Ausbreitung resistent gewordener oder mutierter Bakterien begegnen? Laurie Garrett stellt sich diesem Problem in ihrem Buch „Die kommenden Plagen“ Durchgehend nennt die Autorin die politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Bedingungen, die den Ausbruch der „neuen Plagen“ begünstigten, wenn nicht sogar hervorriefen. Die Vernichtung der Regenwälder, die ökologisch falsche, oftmals profitorientierte Umgestaltung riesiger Landflächen gehören dazu.

Die neuen Gefahren sind verbunden mit der Vertreibung von Tieren (und Trägern von bis dahin schlummernden Krankheiten) aus ihren angestammten Räumen und ihrem Vordringen in von Menschen dicht besiedelte Gebiete. Das Buch nennt weitere Beispiele, Ursachen der neuen Seuchen, die keineswegs vor allem „in der Bevölkerungsexplosion mit ihren Armutskonsequenzen“ liegen, wie es in einer Vorbemerkung heißt.

Speziell mit der Frage, warum Antibiotika unser Immunsystem schädigen oder gar

ausschalten, befaßt sich das Taschenbuch von Jeffrey A. Fisher Auch hierin geht es um den unbedachten Einsatz jener vermeintlichen Allheilmittel, um resistent gewordene Bakterien, begünstigt durch die Gabe solcher Mittel in der Tierproduktion. Allein in den USA wurden bis zur Einschränkung dieser Futterzusätze jährlich 10 000 Tonnen an Tiere verfüttert. „Wenn wir nichts dagegen unternehmen, werden wir eine verheerendere Epide-

mie von Infektionskrankheiten erleben als je zuvor“, prophezeit Fisher.

Mit der weltweiten Verbreitung alter und neuer Seuchen befassen sich Sichrowsky und Scheer. Auch sie kommen zu dem Schluß, daß von den neuen wie alten Plagen große Gefahren ausgehen können, wenn der Mensch sein Verhalten nicht generell ändert. Die Autoren mahnen, Seuchen schon im Vorfeld zu verhindern, statt sie erst nach ihrem Ausbruch zu bekämpfen. Sie gehen vor allem auf die Ursachen der Krankheiten ein. Ihre

Kernaussage.- Es sind nicht die Mikroorganismen an sich, sondern die Verhaltensweisen der Menschen ihnen gegenüber. Es sind die ökologischen, wirtschaftlichen, hygienischen, sozialen, kulturellen Bedingungen, die entsprechend der politischen Situation in einem Land herrschen. Hinzukommen der weltweite Austausch von Nahrungsmitteln, der zunehmende Reiseverkehr und der Tourismus.

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