- Kultur
- JUN TSCHONGMO: „Meine Mutter war eine Korea-Nutte“
Verschleppt, vergewaltigt
Ungewöhnlich ist nicht nur der Titel des Buches, ungewöhnlich ist auch die Geschichte über den jungen koreanischen Schriftsteller Pä Munha, der, so lange er denken kann, seinen Vater sucht. Er kann und will nicht glauben, daß der heruntergekommene Mann, der nur sporadisch bei seiner Mutter auftaucht, sie stets schlägt, beschimpft und von ihr Geld für Schnaps erpreßt, sein Vater sein soll. Zumal dieser es auch brüsk ablehnt, den Jungen als den eigenen Sohn zu akzeptieren. Er sei der „Sohn einer Hure“ und sehe wie ein „Japs“ aus, mußte Pä Munha stets hören. Nun ist dieser Mann, der mit einer anderen Frau zusammenlebt, gestorben und die Mutter bittet ihren nunmehr 37jährigen Sohn zu dessen Erstaunen, die als Sohnespflicht geltenden Zeremonien bei der Beisetzung zu übernehmen. Widerwillig fährt er zum letzten Wohnort dieses Mannes, wo er von dessen Lebensgefährtin nur noch mehr verunsichert wird. Auch sie kann ihm die Frage nicht beantworten, ob der Verstorbene wirklich sein Vater war Nie hatte er die Mutter direkt nach ihrer Vergangenheit befragt, doch jetzt läßt es ihm keine Ruhe, mehr.
Jun Tschongmo: Meine Mutter war eine „Korea-Nutte“. Aus dem Koreanischen von Helga Picht. KIRO-Verlag Schwedt. 96 S., brosch., 19,80 DM.
Mit schonungsloser Offenheit offenbart seine Mutter nun, wie sie als junges Mädchen im Weltkrieg von den Japanern in ein Militärbordell auf die Philippinen verschleppt, wie sie und Tausende anderer Koreanerinnen aufs brutalste von japanischen Militärs vergewaltigt wurden: „Alles Unglück meines Lebens rührt vom Krieg der Japaner her “
-. EULENSPIEGEL VERLAG
/Ätö\ PETER ENSIKAT \ ^B I Uns gabs nur einmal
V.!?' Satiren, 128 S„ geb., 19,80 DM
Aul bewegende Weise erzählt die südkoreanische Schriftstellerin Jun Tschongmo das Schicksal dieser zur Prostitution gezwungenen Koreanerin, die aus Scham über ihre Vergangenheit auch nach dem Krieg nicht zu ihren Verwandten zurückkehrt und die Schmähungen des rechtmäßigen Vaters ihres Sohnes hinnimmt. Erstmals wurde mit dieser Veröffentlichung in Südkorea die Problematik der
„Chosenbi , der „Korea-Nutten“, literarisch verarbeitet. Ein Thema, das auch die koreanische Öffentlichkeit heute stark beschäftigt, denn erst jetzt haben diese noch lebenden Frauen die Kraft und den Mut gefunden, über ihr Schicksal zu berichten.
In der stark konfuzianisch geprägten Lebensweise der Koreaner, in der die „Reinheit“ der Frau oberstes Gebot ist, hatten die Zwangsprostituierten kaum eine Chance, von ihren Familien, geschweige denn von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Erst 1990 brachen die ersten ihr jahrzehntelanges Schweigen. Nach bisherigen Schätzungen sind mindestens 200 000 Koreanerinnen von den Japanern in Kriegsbordelle verschleppt worden.
Es ist dem KIRO Verlag zu danken, daß er diese einfühlsam von der Koreawissenschaftlerin Helga Picht übersetzte Erzählung herausgegeben hat und dem deutschen Leser die Möglichkeit bietet, jüngste koreanische Geschichte in literarischem Gewände zu erfahren. Allerdings scheint mir die Wahl des deutschen Titels nicht sehr glücklich zu sein, da er den Leser erheblich in die Irre führen kann.
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