- Kultur
- Vor 200 Jahren wurde Carl Joseph Meyer, Grunder des Bibliographischen Instituts, geboren
Ein „Brausekopf der allewegs opponiert“
Bänden beachtliches Gewicht. Respekt auch vor seiner Lebenshaltung. Meyer traf die Feststellung: Bildung macht frei! Und forderte sie für alle. Seine Begründung dazu: „Die Intelligenz Aller ist der stärkste Hort der Humanität und Freiheit.“ Mit diesem Motto störte er das feudale Denkgefüge vom Wissensmonopol «empfindlich. Zumal er die Meinung vertrat, Bildung müsse bezahlbar sein, auch für den „Allerärmsten“
Und Meyer postulierte nicht nur. Er handelte! Die „Bibliothek der deutschen Classiker“ blieb durchgehend ein Grundton in seinem Verlagsprogramm, wurde lediglich abgewandelt und erweitert. Und war bezahlbar. „Meyer's Groschenbibliothek“ gab er in 365 Bänden heraus, den Band zu „1 1/4 Silbergroschen“ Eine bildungspolitische und wirtschaftliche Leistung hohen Ranges. Sein Verleger-„Kollege“ Brockhaus hat ihn später stichwortmäßig so eingestuft:
„Industrieller, gründete das Bibliographische Institut, selbst politisch und schriftstellerisch tätig, Organisator großer kommerzieller, bergbaulicher und Verkehrsunternehmungen.“
Anerkennung gebührt Meyer auch dafür, einer Stadt in Thüringen zu Ruf und Ruhm verholfen zu haben. Hildburghausen weiß es zu schätzen und richtet vom 9 bis 12. Mai Festtage und anschließend ein Jubeljahr für ihn aus. Das Haus Nr. 44 in der Oberen Marktstraße ist ein spätbarockes Palais: Imponierend in seiner baulichen Großzügigkeit. Eine Gedenktafel zeigt an: Hier lebte und wirkte von 1828-1856 Carl Joseph Meyer.
In Gotha, der Geburtsstadt, begründete er 1826 das Bibliographische Institut. Autodidakt in der Branche, aber mit kaufmännischer Lehre. Der bildungsbesessene „Brausekopf, der allewegs opponiert“, übersiedelte zwei Jahre danach samt Verlag, Frau und
Foto: Verlag Frankenschwelle Hildburghausen
Kind nach Hildburghausen. In die Obere Marktstraße. Das Brunnquellsche Haus, wie es nach dem einstmaligen Besitzer hieß, entsprach Meyers Idee von einem Verlag mit Weltgeltung. C.J.M. neigte und
bekannte sich zur großen Dimension.
Atemberaubend zügig organisierte er in der neuen Umgebung Struktur und Arbeitsabläufe neu. Nun gehörten verlagseigene Druckerei und Buchbinderei zum Bibliographischen Institut. Einsatz modernster Technik verstand sich von selbst. Außer den technischen Bereichen arbeiteten die Bibliographische und die Artistisch-geographische Abteilung. Im Verlagshaus stieg die monatliche Fertigung zeitweilig auf 40 000 bis 50 000 Bücher und Broschüren. Verleger Meyer bevorzugte bebilderte Editionen. Zeichner und Stecher kamen zum Stammpersonal. 1850 zählte die Belegschaft 300 Mitarbeiter Die Sachgebiete hatte man um die Kunstabteilung erweitert.
Die Prospekte boten an: neben den Klassiker-Reihen und dem 5,Jahrhundert-Meyer“ Schriften und Sammelwerke zu
Themen aus Geschichte, Naturwissenschaften, Völkerkunde; Atlanten, Kunstdrucke. Und das „Universum“ Ein Periodikum, das „Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde“ versprach. Höchstpersönlich von Meyer ausgewählt und mit Texten versehen. Sein Meinungsspiegel. In den Jahren des Vormärz auch sein politisches Forum.
C.J.M. verstand sich als bürgerlicher Demokrat. Er äußerte es unüberhörbar. In einem Geheimbericht der Sicherheitsorgane heißt es: ..... Meyer
ist erzliberal und hat viel Geld“ - Er wagte sich weit nach vorn. Zwei herausgegebene Zeitschriften mit oppositionellem Wind wehten allerdings nur kurz. Trotzdem kein Gesinnungswandel. Herr Meyer schrieb „An die Despoten: Müßt doch herunter,/ Geht dennoch unter!/Ob früher, ob später,/Ob bei Tag, ob bei
Nacht,/Ob durch Missethäter/ Ob durch Aufstands Macht...“ Ein Jahr später traf die letzte Zeile zu.
Das Meyersche Pensum war gewaltig. Wohl auch mitbestimmt von seinem Hang zum Maßlosen. Unternehmen in Bergbau und Eisenbahnwesen, parallel zur Verlagsarbeit eingeleitet, scheiterten. Letztlich holte ihn das Übermaß ein. Kaum sechzig Jahre alt, starb Carl Joseph Meyer in Hildburghausen.
Der Friedhof liegt an der Straße nach Schleusingen. Die Ruhestatt des Verlegerehepaares ist baumumstanden, gepflegt und geburtstäglich in Maiblüte. Der Muschelkalkstein trägt ein Medaillon mit C.J.M.'s Profil. In Betrachtung desselben überdenkt man die Angaben zur Person: Hochgewachsen, kräftig gebaut, durchdringender feuriger Blick und eine ungewöhnlich starke Stimme.
Zwei Personengruppen konnte er partout nicht leiden - Freimaurer und Raucher! „Er roch es sofort, wenn jemand geraucht hatte, und wehe dem, der erwischt wurde...“
RENA TE HOFFMANN
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