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Ignoriert Bayer Kinderarbeit?
Philipp Mimkes über skandalöse Zustände in indischer Saatgutproduktion
Mimkes: Die Situation hat sich minimal verbessert. Vor einem Jahr hatten wir festgestellt, dass mindestens 2000 Kinder für Bauern arbeiten, die an die Bayer-Tochter Pro Agro liefern. Jetzt gehen wir davon aus, dass es noch mindestens 1500 Kinder unter 15 Jahren sind. Und nach wie vor arbeiten allein im Bundesstaat Andhra Pradesh rund 50000 Kinder für die großen Multis.
Tun sie das freiwillig?
Nein, die Eltern erhalten meist einen Kredit, den die Kinder anschließend, oft jahrelang, abarbeiten müssen. Das ist die klassische Schuldknechtschaft, es geht dabei um Beträge von etwa 50 Euro.
Bayer streitet die Kinderarbeit aber nach wie vor ab.
Niemand behauptet, dass die Kinder direkt bei Bayer arbeiten oder bei Pro Agro. Aber Pro Agro weiß, dass die Auftragsproduzenten, die Bauern, Kinder beschäftigen. Dazu sind sie nämlich schon wegen der geringen Preise gezwungen, die für das Saatgut bezahlt werden. Würde Bayer faire Preise zahlen, könnten die Kinder zur Schule gehen und stattdessen Erwachsene arbeiten. Trotz einiger begrüßenswerter Aktivitäten auch von Pro Agro ist wenig passiert: Firmen wie Bayer kontrollieren das Saatgut und seine Herstellung lückenlos, beispielsweise die Düngung, das Ausbringen von Pestiziden und die Bewässerung. Sie kontrollieren aber nicht die Einhaltung des Verbotes der Kinderarbeit, selbst wenn in einigen Lieferverträgen ein Verbot der Kinderarbeit enthalten ist.
Kinderarbeit ist aber ohnehin in Indien verboten.
Ja, aber angesichts der Armut der Menschen ist dieses Verbot oft schwer durchzusetzen. Und natürlich ist Kinderarbeit in Indien schon lange ein Thema und wird es bleiben, solange damit Geld verdient werden kann.
Bayer zieht denselben Wissenschaftler als Zeugen für Verbesserungen heran, den Sie zitieren. Wie kommt das?
Manchmal agiert Bayer einfach ungeschickt: Dr. Davaluri hat in seiner neuesten Untersuchung geringfügige Verbesserungen, vor allem ein geringes Sinken der Betroffenenzahlen, festgestellt. Daraus nun zu konstruieren, er halte das Verhalten von Pro Agro, Bayer und anderer für richtig, ist eine Verdrehung. Vielmehr hat der Wissenschaftler auch in jüngster Zeit darauf hingewiesen, dass das Problem nach wie vor groß ist. Bayer nennt die positiven Ergebnisse, verschweigt aber die negativen...
...weil Kinder auf den Feldern sogar an Vergiftungen sterben?
In den örtlichen Krankenhäusern sind die Symptome von Vergiftungen durch Pestizide, die teilweise in Europa längst verboten sind und an deren Verkauf die Multis ebenfalls verdienen - hinlänglich bekannt. In leider nicht so seltenen Extremfällen sterben Kinder daran, regelmäßig treten Gesundheitsschäden auf.
Was können Verbraucher in Deutschland tun, um die Kinderarbeit im Saatgutbereich mit dem Kauf von T-Shirts nicht noch zu unterstützen?
Es gibt Gütesiegel, die neben der Schadstoff- und Pestizidfreiheit auch soziale Kriterien berücksichtigen: Die Labels »Naturtextil« und »ecoproof« sind solche Prüfsiegel, damit ausgezeichnete Produkte sind kaum teurer als der Standard.
Fragen: Jochen Bülow
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