- Politik
- Margarethe Schreinemakers hat eine Affäre. Aber Liebe ist nicht im Spiel
Die Rache des mächtigen Mannes
Nicht daß mir Margarethe Schreinemakers gefehlt hat in der viermonatigen Pause, die sie sich gönnte, als sie zum zweiten mal Mutter wurde: Ich gestehe, daß ich zur bekennenden Minderheit gehöre, die sich der allwöchentlichen Einladung Margarethens zum tränenseligen Betroffenheitsblick durch fremde Schlüssellöcher halsstarrig verweigert. Aber die Sendung, mit der sie demnächst ihr Comeback aus dem Kindbett feiern will, verspricht wirklich spannend zu werden. »Meine Affäre mit Theo Waigel« könnte das Motto sein, unter dem sich Deutschlands berühmteste Plaudertasche höchstselbst als Objekt öffentlicher Anteilnahme empfiehlt. Um Geld geht's bei diesem Techtelmechtel '“mit dem Bundesfinanzminister, nicht um Liebe. Um Steuergelder nämlich, von denen Frau Schreinemakers zu wenig zahlt, wie im Umfeld des Bonner Finanzministers gemutmaßt wird. Oder viel zu viel, wie die Beschuldigte soeben im Hochglanz-Boulevardblatt »Gala« richtigstellte. Das will sie Waigel in ihrer Sendung vorrechnen, sagte sie dem Reporter und entblößte-^vor der Fotokamera siegesgewiß ihr prächtiges Zahnfleisch. »Aber ich fürchte, er kneift«.
Zumindest dementierte Waigel vorsorglich, die Schreinemakers persönlich angegriffen zu haben, was freilich nicht
ganz überzeugend klingt. Denn beim politischen Aschermittwoch in Passau hatte der CSU-Chef Theodor Waigel deklamiert: »Und wenn schon deutsche Showmaster oder deutsche Showmasterinnen von deutschen Zuschauern leben, dann sollen sie für ihre Gagen auch in Deutschland ihren gerechten Steueranteil zahlen.« Das ging eindeutig gegen sie, meint die deutsche Showmasterin Margarethe, die ein Haus in Belgien bewohnt und seitdem als Steuerflüchtling beargwöhnt wird. Ihre feudale Trutzburg im Belgischen erwarb sie, weil sie die Immobilie dort viermal billiger bekam, als sie in Deutschland zu haben wäre, wer hat schon was zu verschenken. Was aber ihre Steuern betreffe, so zahle sie die dort, wo sie jede Woche ihre Leistungen erbringe, nämlich in Köln, das bekanntlich in Deutschland liegt.
60 000 Mark kriegt sie nach eigenen Angaben für jede Moderation von SAT.l., 650 000 Mark führt sie jährlich an den deutschen Fiskus ab, dafür könne man eine Menge Kindergartenplätze finanzieren, rechnet Margarethe laut und ist sich der Zustimmung ihrer weiblichen Klientel gewiß. Ich rechne leise für mich, wie lange unsereins für 60 000 Mark arbeiten müßte. Sechzigtausend für drei Stunden clever servierte Seichtigkeit, und das mal 52, da kommt was zusammen im Jahr, trotz üppiger Abgaben. Es ist die verschwenderische Unvernunft der Marktwirtschaft, mit der wir uns abzufinden haben wie mit den gottgesandten Unge-
rechtigkeiten des täglichen Wetterberichts. Wo die Zuschauerquote zum wichtigsten Wertmaßstab wird für die Stargage, wird es zur natürlichsten Sache der Welt, wenn eine Talkmasterin im Privatfernsehen mehr verdient als ein mittleres Ballettensemble oder ein Mitternachtsclown im Konkurrenzsender soviel kostet wie ein Kammerorchester.
Der konservative Politiker Theo Waigel ist nicht der Typ des Weltveränderers, den das marktwirtschaftlich legitimierte Mißverhältnis zwischen Lohn und Leistung etwa auf den Gedanken bringen könnte, die Verhältnisse zu ändern. Wenigstens aber könnte er versuchen, aus den Verhältnissen, wenn sie schon nicht besser sein können als sie sind, doch immerhin das beste zu machen. Im Falle Schreinemakers hieße das nicht nur, die Dame in Ruhe verdienen zu lassen, damit sie weiter kräftig abführen kann, sondern auch die holländische Firma »Living Camera« bei Laune zu halten, die »Schreinemakers live« produziert, weil davon Aufträge und Arbeitsplätze in Deutschland abhängen. Statt dessen werde sie laut Schreinemakers vom deutschen Fiskus kräftig geschröpft, was gegen das deutsch-niederländische Doppelbesteuerungsabkommen verstoße.
Das war das Stichwort für den Moderator Andreas Bönte von »report« aus München, für seinen politischen Freund Waigel letzten Montag in die Butt zu steigen mit einem Beitrag über die »Steuer-
affäre Schreinemakers«. Frau Margarethe sei eine, die den Hals nicht voll kriegen könne, sagte er und tat so, als sei das was besonderes bei unseren Fernsehlieblingen. Mit strafendem Blick und bayerischem Bibber rechtfertigte er die Quellensteuer in Millionenhöhe, zu der »Living Camera« in Deutschland verdonnert wurde, weil nämlich eine Produktion in Holland gar nicht stattfinde. Dann redete der Andi mit beschwörenden Worten und kargen Fakten den Verdacht herbei, daß es sich bei diesem Unternehmen um eine Scheinfirma handeln könnte zur Verschleierung grenzüberschreitender Finanzmanipulationen, in denen auch Frau Schreinemakers, verehelichte Klumpe, nebst Mann und Schwager fette Anteile halten und einander Extraeinkünfte zuschieben. Er machte seine Sache so überzeugend, daß sich am Ende das gesunde Volksempfinden nur noch wundern konnte, wieso der saubere deutsche Fiskus von diesen Drecksleuten überhaupt noch was nimmt, und dann auch noch gleich eine Quellensteuer. Der Clou der Sendung aber war: Nicht 60 000, sondern 110 000 kassiert Frau Schreinemakers aus verschiedenen Quellen pro Sendung, wie »report« rausgekriegt hat. Aber der Fiskus muß es schon gewußt haben, denn alles ist korrekt versteuert. Und wo der Staat kassiert, da gibt's koa Sund.
Frau Schreinemakers aber fühlt sich als unschuldiges Opfer eines rachsüchtigen Politikers. Als vor einigen Jahren Theodor Waigel und Irene Epple bei Gottschalk auf der roten RTL-Couch als Verlobte grüßten, lud Margarethe im Gegenzug die verlassenen Frau Waigel ins SAT.l-Studio ein, um ein bißchen mit ihr zu weinen. Obwohl sie aus dem Finanzministerium gewarnt worden sei: Wenn Sie Frau Waigel in die Sendung holen, bekommen Sie ein Problem. Kein Zweifel also: Waigel nimmt Rache. Ein schlechter Mensch. Daß seine überfallartigen Steuerattacken ein Zeichen für schlechte Finanzpolitik sein könnte, kommt nicht
in Betracht. Ein schlechter Politiker ist was für alle Tage, ein schlechter Charakter in politischer Funktion ist was für den Donnerstagabend bei »Schreinemakers live«.
Aber wie paßt da Michael Jackson ins Bild, der durch besondere Neigungen für verlassene Ministergattinnen nie auffällig wurde und trotzdem mit so aberwitzigen deutschen Steuerforderungen konfrontiert ward, daß er es vorzog, sein geplantes Deutschlandgastspiel abzusagen? Nun wird er im September in Prag seine Botschaften in die Welt rufen, die Hand am Schritt, und in Berlin wird mancher Showexperte den Finger zur Stirn führen mit eindeutiger Message: Wie kann unser Finanzboss bloß so blöd sein, sich das Riesengeschäft durch kleinliche Forderungen zu vermasseln? Boomende Umsätze von Schallplatten, Souvenirs und Kultgegenständen, der Medienrummel und die Volksbelustigungen wären ein gefundenes Fressen für den Fiskus gewesen, nun ist's eine verpaßte Gelegenheit.
So sehr ich Frau Margarethe ihre Rachestory gönne, mir kommt ein anderer Verdacht: Wenn Waigel den Schönen und den Reichen des Showbiz seine Steuerfahnder auf den Hals hetzt oder miese Geschäftstricks unterstellt, so könnte das auch politisches Kalkül sein. Seht her, will man dem »kleinen Mann« damit sagen, der am meisten vom Sozialabbau gebeutelt ist: Wir verschonen auch die Großen nicht! Richtig vermutend, daß für viele die Stars im Rampenlicht die Größten sind. Was dann von den wirklichen Größen aus Industrie und Banken ablenkt, an die sich Bonn nicht rantraut. Die werden mit Steuergeschenken verwöhnt, während Frau Schreinemakers mal eben beim Amoklauf gegen den Fiskus ein bißchen Kohlhaasens Tochter spielen darf. Den Kopf wird's nicht gleich kosten. Mit ein paar Millionen auf der Bank und einem starken Privatsender im Rücken ist sowas eher eine prima Werbung als eine verhängnisvolle Affäre.
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