- Politik
- Wie die Allgegenwart von Werbung unser Konsumverhalten beeinflußt
Die Welt der schönen, überflüssigen Dinge
Foto: Joachim Fieguth
Auf ihre Frage: »Was halten Sie von Werbung?« bekommen Meinungsforscher von vielen Leuten ein ebenso entschiedenes wie empörtes »Gar nichts!« zu hören. »Meinetwegen könnte das Fernsehen auf Werbung ganz verzichten«, fügen manche noch bekräftigend hinzu, »kein vernünftiger Mensch richtet sich danach.«
Merkwürdig ist das schon: Sollten deutsche Unternehmer tatsächlich Jahr für Jahr mehrere Milliarden Mark in eine Sache stecken, die ihnen letztlich keine satten Gewinne verspricht? Weil dies nicht sein kann, müssen die sieben Millionen Werbespots, die ein durchschnittlicher Fernsehzuschauer im Verlaufe seines Lebens zu sehen bekommt, irgendwie auch seine Bedürfnisse beeinflussen. Denn sicher ist auch: Obwohl angeblich niemand auf die Werbung achtet, verkaufen sich nur jene Produkte gut, für die regelmäßig geworben wird.
Wie es scheint, beherrschen viele Werbemanager die hohe Kunst, das Kaufverhalten ihrer Kunden suggestiv in eine gewünschte Richtung zu lenken. Zumal eine rationale Abwägung der Vor- und Nachteile verschiedener Produkte wenig Kaufzwänge erzeugt. So mußte selbst das renommierte »Marketing-Journal« kürzlich eingestehen, daß alle in Deutschland angebotenen Shampoos zu 98 Prozent identisch» seien. Selbiges gilt wohl auch für die vielen Waschpulver, Hundefutter, Abführmittel, Deosprays etc. Ziel der modernen Werbeindustrie ist es also, möglichst viele Kunden dahin zu bringen, daß sie unter zahllosen, mehr oder minder gleichartigen Produkten ein ganz bestimmtes auswählen. Wie aber macht man das?
1957 schockierte der Werbespezialist James Vicary die amerikanische Öffentlichkeit mit folgender Methode: In einem Kino in New Jersey unterbrach er den laufenden Film durch die Einblendung der Worte »Trink Coca Cola!« und »Iß Popkorn!« Dies allerdings geschah so kurzzeitig, 0,0003 Sekunden lang, daß die Kinobesucher es gar nicht bewußt bemerkten. Der optische Reiz blieb, wie Psychologen sagen, unterschwellig. Trotzdem stieg der Verkauf von Coca-Cola um 18, der von Popkorn sogar um 50 Prozent. Offenbar hatte Vicary gezeigt, daß unterschwellige Sinnesreize unsere Wahrnehmung unbemerkt beeinflussen können. Rasch interessierte sich auch die CIA für Vicarys Entdeckung, die der ideologischen Gehirnwäsche Tür und Tor zu öffnen schien. Von solchen Visionen aufgeschreckt, wiederholten andere Psychologen den Versuch unter kontrollierten Bedingungen. Jetzt blieb der Konsum von Coca-Cola und Popkorn unverändert. Schließlich gab Vicary zu, die ganze Geschichte frei erfunden zu haben, um seinem rückläufigen Werbe-Unternehmen neue Kunden zuzuführen.
Mittlerweile gehen die meisten Wer-
befachleute Von der Wirkungslosigkeit der unterschwelligen Verführung aus. Mehr Erfolg versprechen sie sich vom Einsatz sogenannter Aufmerksamkeitsfänger wie Kinder, Tiere oder erotische Motive. Der Grund: Produkte, die in Verbindung damit gezeigt werden, erfahren eine emotionale Aufwertung, die nachweislich unsere Kauflust stimuliert.
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