- Politik
- Der griechische Regisseur Michael Cacoyannis wird heute 75 Jahre alt
Der Mann, der »Alexis Sorbas« schuf
In ihren Memoiren »Ich bin als Griechin geboren« blickte die Schauspielerin und spätere Kulturministerin Melina Mercouri auch in die Zeit der frühen fünfziger Jahre zurück: »Die Filme«, schrieb sie, »die in Griechenland gedreht wurden, bevor Michael Cacoyannis sich einschaltete, waren recht armselige Erzeugnisse. Immer wieder war die Heldin ein armes unschuldiges Mädchen, das von einem abgebrühten Taugenichts verführt wurde. Diese Filme wurden fast nie außerhalb Griechenlands gezeigt.«
Cacoyannis, der heute 75 Jahre alt wird, öffnete dem griechischen Kino dann tatsächlich das Tor zur Welt. »Frühling in Athen« (1953) hieß das Debüt des in Limassol auf Zypern geborenen, in London zum Juristen und Schauspieler ausgebildeten Regisseurs, der zwischen 1941 und 1950 bei der BBC gearbeitet hatte. Schon seine zweite, für nur 22 000 Dollar gedrehte Produktion »Stella« (1955) erhielt eine Einladung nach Cannes: die Geschichte einer Sängerin und Tänzerin in einer Athener Taverne, die ihre Freiheit gegen das Patriarchat der Männer behauptet und am Schluß von einem glücklosen Liebhaber erstochen wird. Die Titelrolle spielte Melina' Mercouri, und Cacoyannis' Regie überzeugte durch atmosphärische Genauigkeit, mit der er den Alltag in den Armenvierteln der Hauptstadt erfaßte. Die zeitgenössische Kritik erhob ihn zum griechischen
Bruder der italienischen Neorealisten, und er bestärkte diesen Ruf mit »Das Mädchen in Schwarz« (1957) über das Schicksal einer Frau, die sich von einer gedemütigten, verachteten Kreatur zu einer bewußt Liebenden emanzipiert.
Mit diesem formal streng komponierten, in der kargen Landschaft einer Fischerinsel angesiedelten Film stellte Cacoyannis seine Affinität zu den Dramen der griechischen Antike unter Beweis. Später adaptierte er »Elektra« (1962), »Die Troerinnen« (1971) und »Iphigenie« (1977) fürs Kino: eine Trilogie, in der die klassische Mythologie ohne jede gesuchte Aktualisierung ganz gegenwärtig wurde. Es sind filmische Pamphlete gegen die Selbstzerstörung des Menschen durch Zwietracht und Krieg, mit Helden, die vom Sockel der Legende herabgeholt werden, und deren Handlungen psychologisch und sozial bis ins Detail ausgedeutet sind. Immer geht es um Zwänge innerhalb gesellschaftlicher Machtkonstellationen, um den Zwiespalt zwischen Politik und Moral, und um den Beweis, daß das Individuum sein Schicksal selbst zu bestimmen in der Lage ist. Götter nehmen in Cacoyannis' Arbeiten keine tragenden Rollen ein, wohl aber die Physiognomie von Gesichtern, auf denen sich Hoffnungen, Zweifel, Ängste spiegeln.
Nach seiner Zusammenarbeit mit Melina Mercouri verpflichtete der Regisseur für diese Trilogie eine andere griechische Schauspielerin, machte sie gleichsam zur Ikone des modernen Kinos: Irene Papas als Elektra, Helena und Klytaimnestra.
Und die Musik schuf Mikis Theodorakis, der als Komponist maßgeblich auch am größten Kinoerfolg von Cacoyannis beteiligt war- »Alexis Sorbas« (1964), die Tragikomödie über einen ehemaligen Bergarbeiter, der trotz widrigster Umstände seine Lust am Leben nicht aufzugeben bereit ist. Am Ende, als seine Geliebte gestorben und auch die Seilbahn zusammengebrochen ist, mit der er ein altes Bergwerk wieder flottmachen wollte, tanzt der vitale Held jenen legendären Sirtaki und gibt seine Philosophie kund: »Ein Mann braucht eine Portion Wahnsinn, weil er sonst nicht die Courage hat, auszubrechen, um frei zu sein ...« Cacoyannis wollte mit diesem Film nach dem gleichnamigen Roman von Nikos Kazantzakis »die wahren Aspekte des griechischen Lebens« zeigen; ihm gelang ein ebenso melancholisches wie optimistisches Sinnbild, das weltweit begeistert aufgenommen wurde.
Michael Cacoyannis arbeitete während der Zeit des Obristenregimes in Frankreich, Großbritannien und in den USA. Er inszenierte an verschiedenen Theatern, unter anderem an der Metropolitan Opera und an der Comedie Franchise. 1983 brachte er seinen »Alexis Sorbas« in den USA als Bühnenmusical heraus. Wenn allerdings von kaum entdeckten Filmen des Regisseurs die Rede ist, muß unbedingt auch auf »Der Tag, an dem die Fische kamen« (1967) verwiesen werden: eine Komödie, in der ein US-Spezialkommando auf einer griechischen Insel nach versehentlich abgeworfenen Atombomben sucht, während die Einheimischen glauben, es handle sich um Touristen. Ein makabres, bis ins dramaturgische Chaos getriebenes Spiel um Sein und Schein, Arroganz und Naivität, Opportunismus und Geldgier. Mit »Sweet Country« (1986) leuchtete Cacoyannis dann in das Innenleben einer südamerikanischen Diktatur, zeichnete den Leidensweg inhaftierter Frauen. Auch dies ein Film, der trotz gestalterischer Schwächen das humanistische Engagement des Regisseurs noch einmal unterstrich.
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