Günther Fuchs
Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Brandenburg
? Die Junge Union Brandenburgs hat sich kürzlich für die Einführung eines Englisch-Unterrichts bereits in der dritten Klasse ausgesprochen. Was sagen Sie dazu?
Die Idee ist nicht neu. Wir halten den Vorschlag prinzipiell auch für unterstützenswert. Das Schulgesetz gibt uns in Brandenburg allerdings schon heute die Möglichkeit, Englisch oder eine andere Sprache ab der dritten Klasse als Begegnungssprache einzuführen. Das wird an einigen Schulen bereits praktiziert und
viele Schulen haben Interesse an solch einem fremdsprachlichen Unterricht geäußert.
? Was ist unter einer Begegnungssprache zu verstehen?
Begegnungssprache heißt, daß man eine Fremdsprache in den Unterricht einbezieht und Stundenabschnitte in dieser Sprache unterrichtet werden, also ein erstes Bekanntmachen mit einer Fremdsprache und Vorbereitung auf den Fremdsprachenunterricht erfolgt.
? Also kein gesondertes Fach Englisch?
Genau. Nach diesem Konzept ist die Fremdsprache integraler Bestandteil des jeweiligen Fachunterrichts. In der Regel dauert der fremdsprachliche Unterricht zwischen 10 und 20 Minuten pro Unterrichtsstunde. Allerdings ist im brandenburgischen Schulgesetz eine Höchstgrenze von 90 Minuten Unterricht pro Woche festgelegt.
? Die Junge Union Brandenburg steht mit ihren Überlegungen ja nicht allein. Auch in Berlin plädiert die zuständige Schulsenatorin Ingrid Stahmer für ein Un-
terrichtsfach Englisch. Gibt es überhaupt genug Lehrer hierfür?
Das Grundproblem ist tatsächlich, daß es für die Einführung eines Englisch-Unterrichts qualifizierte Lehrkräfte braucht. Diese Lehrkräfte benötigen Erfahrung und Kenntnisse in der Begegnungssprache. Erforderlich sind entsprechende Angebote der Fortund Weiterbildung für die Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen.
? Werden Achtjährige durch das Erlernen einer Fremdsprache nicht überfordert?
Nein, alle Untersuchungen in diesem Bereich belegen das Gegenteil. Je früher man mit dem Erlernen einer Fremdsprache beginnt, desto positiver wirkt sich dies auf die Sprachentwicklung und die Sprachkompetenz der Kinder aus. Gerade in jungem Alter sind Kinder aufnahmefähiger für das Lernen einer Fremdsprache. Wenn das Konzept Begegnungssprache praktiziert wird, dann ist das ja kein Unterricht im herkömmlichen Sinne. Die Fremdsprache wird mit mehr Freude erlernt.
Interview: Jürgen Amendt Foto: GEW
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.