»Linke Schlampen vergewaltigen...«
PDS-Anhörung Saalfelder Polizeiorgie soll ein Nachspiel haben Von Peter Liebers, Erfurt
Die Polizei hat bei der verbotenen Demonstration gegen rechte Gewalt am 11. Oktober in Saalfeld wahllos Jugendliche festgenommen und entwürdigend behandelt. Das kam auf einer Anhörung der PDS-Landtagsfraktion am Mittwochabend zur Sprache.
Jung, bunt und nicht in Saalfeld-Rudolstadt wohnhaft, sei das einzige Kriterium zur Festnahme gewesen, berichtete der Gewerkschafter Bernhard Hecker Er habe Jugendliche getroffen, die nur zum Tanz in die Stadt wollten und inhaftiert wurden. Im Plenarsaal des Thüringer Landtages erhoben Betroffene schwere Vorwürfe gegen die Polizei und die verantwortlichen Politiker.
Denise Grzeskowiak von der Landesschülerinnenvertretung Berlin war mit 60 Frauen in einer 50 Quadratmeter kleinen Zelle in der baupolizeilich gesperrten DDR-Haftanstalt Unterwellenborn eingesperrt. Nur die Hälfte von ihnen war dem Haftrichter vorgeführt worden. Obwohl der die Freilassung aller nicht von ihm Überprüften angeordnet hatte, wurden sie bis Montagfrüh festgehalten. Minderjährige seien nicht über ihre Rechte aufgeklärt worden und hätten ihre Eltern nicht informieren dürfen.
Den Weg zu den überlaufenden Chemietoiletten, der erst nach Protesten erlaubt wurde, habe durch ein Spalier von Polizisten geführt. Sie pöbelten: »Die linken Schlampen müßte man alle vergewaltigen.«
Florian Osuch von der IG-Medien-Jugend Berlin betonte, die angebliche Autobahnblockade sei nicht von ihnen, son-
dem von der Polizei verursacht worden, die ihre Busse festgehalten und die Insassen wie Terroristen behandelt habe. In Unterwellenborn seien sie von Neonazis mit »Sieg Heil« und dem Hitlergruß empfangen worden, ohne daß die Polizei eingeschritten wäre. Ein Jugendlicher ist von Polizisten in der Zelle zusammengeschlagen worden. Als Antwort auf die Proteste der übrigen Insassen habe man sie acht Stunden lang gefesselt. Hecker berichtete, daß ortsunkundige Jugendliche in der Nacht, vor dem Tor der sieben Kilometer von Saalfeld entfernten Haftanstalt praktisch ausgesetzt wurden, obwohl sich dort Rechtsradikale zusammengerottet hatten. Charakteristisch für das Klima nannte der schon zu DDR-Zeiten politisch Verfolgte einen anonymen Anruf in seiner Wohnung. Seiner elfjährigen Tochter wurde mitgeteilt, ihr Vater solle sich einen Platz auf dem Friedhof aussuchen.
Barbara Morgenroth vom Landesjugendpfarramt in Eisenach hat erlebt, daß bei Zusammenstößen von rechten und linken Jugendlichen die Neonazis schneller wieder frei waren, als die Antifaschisten. Auch Astrid Rothe vom Landesvorstand von Bündnis90/Die Grünen machte auf die Unterschiede im Umgang mit friedlichen Demonstranten und bewaffneten Neonazis durch Politik und Polizei aufmerksam. Sie meinte: »Wir sollten es uns nicht nehmen lassen, in Saalfeld ein Zeichen zu setzen.« Aus Sicht von Willi Brüßel-Mautner vom DGB Ostthüringen hat das »gegen Geist und Buchstaben der Verfassung verstoßende« Demonstrationsverbot ein Klima der Hetze gegen Gewerkschafter und junge Antifaschisten
geschaffen.
Die Anhörung »Saalfeld - Demokratie im Würgegriff« war auch Vorbereitung einer Landtagsdebatte.
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