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Kartell von Bitterfeld Treuhandnachfolgerin entließ Geschäftsführer Von Hans-Dieter Vater
Im Zuge der Ermittlungen zum »Saunakartell« hat die Treuhandnachfolgerin BvS Mitte der Woche den Geschäftsführer der Bitterfelder Vermögensverwaltung (BVV), Hans-Dieter Raschke, entlassen.
Sechs Manager sollen es sein, die als das »Saunakartell« seit Tagen durch die Medien geistern. Es soll bei regelmäßig-ritualen Treffen im Schwitzkasten eines Dampfbades den geballten Einfluß dazu genutzt haben, die millionenschweren Aufträge für die Altlastensanierung im Bitterfeld-Wolfener Industriegebiet nur dem zu erteilen, der an das »Kartell« auch die entsprechenden »Provisionen« - bis zu 800 000 Mark, wie verlautet - zu zahlen bereit war
Die solche Bedingungen zu stellen vermögen, müssen über Macht und Einfluß verfügen. Doch bis jetzt ist das »Fähnlein der Bitterfelder Unaufrichtigen« bis auf zwei noch anonym. Der zuerst beurlaubte und nun von der BvS auch gefeuerte Geschäftsführer der Bitterfelder Vermögensgesellschaft (BW), Hans-Dieter Raschke, war gegenüber ND auch nicht bereit, weitere Namen zu nennen. Seine Entlassung begründete er ausschließlich mit der gegenüber der BvS verschwiegenen finanziellen Beteiligung an zwei weiteren BvS-Töchtern, der Chemie GmbH
Wolfen/Bitterfeld und der Chlor Alkali GmbH.
Eine Praxis, die sich im Wirtschaftsleben der Gegenwart offensichtlich aber tausendfach wiederholt und als Lehr- und Lernstück West für Ost zählt. Genau das trifft auf den zweiten, aus der Anonymität des »Kartells« herausgetretenen Dr Rainer Hacker zu, der nicht nur als Geschäftsführer der Ökologischen Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH und der Bitterfelder Qualifizierungsund Projektierungsgesellschaft mbH, sondern auch an weiteren Firmen, wie der Wolfener Beschäftigungsgesellschaft GÖS, beteiligt ist und über die Gründung einer Gesellschaft für Datenverarbeitung als Dienstleister seiner Firmen einen Reibach gemacht haben soll.
Beide - Raschke wie Hacker - saßen an der Schaltstelle des Bitterfelder Sanierungsgeschäftes. Doch weil von den sechs »Kartellbrüdern« diese beiden zu DDR-Zeiten leitende Tätigkeiten in der Filmfabrik und dem Chemiekombinat Bitterfeld ausübten, war von vornherein klar, daß es sich bei dem Verdacht des Ausschreibungsbetruges natürlich um alte Seilschaften handeln mußte. Wäre dem nicht so, würde ja der Einsatz der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungsund Vereinigungskriminalität (ZERV) fragwürdig.
Dennoch, Tatsachen sind hartnäckig. Die ZERV kommt, wie die Bitterfelder Ereignisse zeigen, nicht an den neuen Seilschaften vorbei, muß sich, wenn auch zum ersten Male, auch der Regierungskriminalität der Gegenwart im vereinig-
ten Lande zuwenden. Die Nadelstreifenkriminalität in der Wirtschaft kostet den Steuerzahler mehr als genug. 1996 wurden in Deutschland fast 92 000 Straftaten im Bereich der Wirtschaftskriminalität -17 000 mehr als 1995 - erfaßt, deren Schaden sich auf acht Milliarden Mark belief.
Was nicht rechtens ist, muß freilich geahndet werden. Noch dazu, wo in Sachsen-Anhalt in den Jahren nach der Vereinigung Wirtschaftsvergehen boomten, die Treuhandverfehlungen in diesem Land eine zutiefst unrühmliche Rolle spielten und gegen nicht wenige leitende Manager Ermittlungen und Prozesse wegen Bestechlichkeit, Untreue und Bereicherung verschiedenster Art eingeleitet werden mußten.
Doch zurück nach Bitterfeld. »Das Engagement, das leitende BvS-Mitarbeiter«, so das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, »für die Erschließung neuer Geschäftsfelder aufbrachten, ließ die Berliner Behörde bei der Kontrolle der Auftragsvergabe offenbar vermissen.« Das Magazin kommt nicht umhin festzustellen, daß die PDS-Bundestagsabgeordnete Christa Luft der BvS schon im Juli dieses Jahres detaillierte Informationen über Provisionsforderungen von Beratern der Bitterfelder Vermögensverwaltung übergeben hatte, danach aber nichts passierte. Außer daß der BvS-Vorstand Peter Breitenstein die Geschäftsführung der BW vorab über die am 23. September stattgefundene Polizeiaktion informiert haben soll, so daß Staatsanwalt und Ermittler an diesem Tag freundlich begrüßt wurden.
Man darf gespannt sein, was nun den Erklärungen der sich weit aus dem Fenster lehnenden Staatsanwälte folgen wird. Die Steuerzahler jedenfalls verlangen Aufklärung und gerichtliche Ahndung. Schließlich sind über die Bitterfelder Vermögensverwaltung gut drei Milliarden Mark aus öffentlichen Kassen in die Region geflossen.
ten. Im Bonner Wirtschaftsministerium weist man solche »Pauschalvorwürfe« zurück. Die Liquiditätsprobleme der Agentur seien »zum Teil wohl auch hausgemacht«, vermutet Gerd Mischkowske, im Ministerium für die Vergabe von Aufträgen zuständig. Und natürlich sei man bereit gewesen, Teilleistungen der Agentur zu honorieren - wären sie denn in Rechnung gestellt worden.
Während Georg Dynewski sich zurückziehen möchte und ein Buch ankündigt, in dem er berichten will, »wie eine Agentur plattgemacht worden ist«, wagt seine Tochter den Neuanfang. Vielleicht wirft sie einen Blick in das Vorwort der erwähnten Broschüre. Zwar solle denen, »die sich mit dem Gedanken der Selbständigkeit tragen«, Mut gemacht werden, doch die Schwierigkeiten dürften nicht übersehen werden. »Nicht jede Gründung ist erfolgreich«, schrieben die Dynewski-Texter seinerzeit ins Vorwort.
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