Entbeamtung brächte hohen Schaden
Peter Heesen (50) Stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes
Foto: privat
Es gehört heutzutage zum gesellschaftlichen Chic, den Beamtenstatus in Frage zu stellen. Vor allem das Schimpfwort »antiquiert« wird dabei verwandt. Nun kann man gerechterweise eine Sache am wenigsten dadurch in Frage stellen, daß man ihr Alter als Grund für eine Abschaffung anführt. Die Demokratie zum Beispiel gehört zu einer ganz alten, von den Griechen entwickelten Staatsform, die weitaus älter als der Beamtenstatus in seiner jetzigen Ausprägung ist. Kein ernstzunehmender Mensch würde jedoch auf die Idee verfallen, die Abschaffung der Demokratie als einer antiquierten Gesellschaftsform zu fordern. ?» >«?.
So ist es aber auch mit-de,m Beamtenstatus. Er stellt dank der Streikfreiheit für die Bürger sicher, daß bestimmte Bereiche staatlicher Dienstleistung ohne jede Beeinträchtigung ständig gewährt werden. Dem Beamten ist ein Streik verboten; er hat - um des Dienstes für den Bürger willen - seine volle Arbeitskraft stets zur Verfügung zu stellen. Diesen in der Verfassung vorgegebenen Verzicht auf das Mittel das Arbeitskampfes honoriert der Staat durch eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten. Nicht Privilegien werden ihm gewährt, sondern es wird, weil ihm ein Teil der Arbeitnehmerrechte entzogen ist, die Ausgestaltung seiner Beschäftigungsbedingun-
gen nach dem Alimentationsprinzip vorgenommen.
Weil Bildung und Ausbildung an unseren Hochschulen eine Aufgabe sind, die der Staat zu Recht zu verantworten hat, und weil die jungen Menschen, die an Hochschulen studieren, rein zeitlich betrachtet nur die eine Lebenschance auf ein solches Studium haben, hat der Staat, indem er überwiegend Beamte einsetzt, entschieden, daß auch die Hochschulen frei sein sollen von einem Streik der Hochschullehrer Ihr Streik in einem Arbeitskampf gegen den Dienstherren würde ja nicht diesen treffen, sondern die an einer solchen Auseinandersetzung ÜnBetefligten Studenten. Das aber wäre nicht nur Ungerecht, sondern 1 ' Würde deren Ausbildungschancen beeinträchtigen.
Zudem: Hochschullehrer nehmen Staatsprüfungen ab; sie entscheiden damit über die berufliche Zukunft der Absolventen. Wenn sie Abschlüsse versagen, greifen sie tief in die Rechte junger Menschen ein. Diese Hoheitsaufgabe darf nach unserer Verfassung nur ein Beamter ausüben, ein Beschäftigter also, der in besonderer Weise darauf verpflichtet worden ist, ausschließlich nach Recht und Gesetz zu handeln, das heißt, auch die Menschen gleich zu behandeln.
Gerade für Hochschullehrer ist im übrigen die persönliche Unabhängigkeit, die der Beamte hat,
besonders wichtig, denn durch sie wird die Freiheit von Lehre und Forschung gerade an staatlichen Institutionen wie den Hochschulen real gesichert. Die Berufung der Hochschullehrer auf Lebenszeit macht sie in ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit von staatlicher Einflußnahme unabhängig und sichert auch ihre Position gegenüber der Hochschulverwaltung. Sie hängen damit auch nicht am Gängelband der Politik oder gar einer Partei, was der unvoreingenommenen Lehrtätigkeit, die ja immer auch Einflußnahme auf junge Menschen bedeutet, besonders dienlich ist.
Alle diese Sachargumente sprechen für den Beamtenstatus der Hochschullehrer, mit dem auch die Betroffenen durchweg sehr zufrieden sind, weil sie die Chancen und Rechte dieses Beschäftigungsstatus zu schätzen wissen. Doch auch aus staatlicher Sicht, also aus der Sicht der Dienstherren, rechnet sich der Beamtenstatus. Alle bisher bekannten ernstzunehmenden Vergleichsuntersuchungen der Kosten bescheinigen, daß der Beamtenstatus - auch unter Einschluß der Pensionsbezüge - für den Staat kostengünstiger kommt. Dies ist gerade in Zeiten knappster öffentlicher Kassen ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Wer Professoren zu Angestellten machen will, der muß erheblich mehr Geld für deren Beschäftigung aufwenden. Das zeigt der Blick in solche Länder, die den Vorteil des Beamtenstatus im Wissenschaftsbereich nicht kennen. Professoren, die selbst für ihre Altersvorsorge voll aufkommen müssen, haben verständlicherweise erheblich“ höhere Gehaltsvörstellungen als beamtete Hochschullehrer. Das“ Berüfurigsund Bezahlungswesen in anderen Ländern zeugt davon, daß Wissenschaft außerhalb des Beamtenstatus erheblich teurer wird. Warum sollen wir uns mehr leisten, ohne mehr davon zu haben?
Die Forderung nach Entbeamtung ist nur ideologisch begründbar. Wer den Beamtenstatus abschaffen will, der will alle staatlichen Bereiche bestreikbar machen, der will damit auch die Politik, die gewählten Parlamente und Regierungen in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. Dieser Weg würde der Demokratie und dem sozialen Leistungsstaat schaden. Wir haben keinen Grund, dies zu tun.
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