- Kultur
- Aufstieg und Fall des Robert Bialek
Holzhammermethoden
dessen Erinnerungen von 1954/55 und bisher unzugängliche Dokumente aus SED- und MfS-Archiven.
In der Breslauer Arbeiterbewegung aktiv, wurde Bialek 1936 von den Nazis zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. 1946 gehörte er zu den Mitbegründern der FDJ Den Eklat auf dem Parlament in Brandenburg überstand er unbeschadet, sieht man davon ab, daß Paul Verner ihm vorwarf, »von Politik und Taktik keine Ahnung zu haben«. Im Sommer 1947 schickte man den Heißsporn auf die Parteihochschule, im Jahr darauf stieg er in der Deutschen Verwaltung des Innern zum Generalinspekteur auf. Hier traf er auf Erich Mielke, mit dem er mehrere Male heftig zusammengeriet. Die Divergenzen waren so stark, daß Bialek nach einem
Michael Herms / Gerd Noack: Aufstieg und Fall des Robert Bialek. Mit einem Vorwort von Wolfgang Leonhardt. Edition ost, Berlin. 300 S., br., 24,80 DM.
Gespräch mit Walter Ulbricht, der Mielke gestützt haben soll, seinen Abschied nahm. Im Januar 1949 wurde er als 1. Sekretär der SED-Kreisleitung nach Großenhain geschickt. Er erfüllte nicht die Erwartungen. Und charakterliche Schwächen wie Arroganz brachten ihm nicht viele Freunde ein. Anderseits bescheinigte ihm im Februar 1949 die aus Berlin angereiste Org.-Instrukteurin Luise Kraushaar, daß er sich um klare politische Aussagen bemühte. Die ein Dreivierteljahr später in ebenfalls dieser Funktion nach Großenhain gereiste Lotte Kühn, damalige
Lebensgefährtin von Walter Ulbricht, kam indes zu einer anderen Einschätzung. 1950 wurde Bialek Kulturdirektor im Lokomotiv- und Waggonwerk Bautzen. Den »Bewährungsauftrag« verstand er anders als seine »Bewährungshelfer«. Nach erneuten Auseinandersetzungen, in denen es vor allem um seine »Holzhammermethoden« ging, wurde er im August
1952 entlassen und einen Monat später aus der SED ausgeschlossen.
Bialek geriet immer mehr ins politische Abseits. Nachdem sein Einspruch gegen den Parteiausschluß im April
1953 abgelehnt worden war und im Sommer des Jahres sich Anzeichen einer drohenden Verhaftung mehrten, floh er in den Westen, wo er nicht gleich mit offenen Armen begrüßt wurde. Kontak-
te zum BBC und zum britischen Geheimdienst sowie die Protektion von Stefan Thomas, Leiter des SPD-Ostbüros, verhalfen ihm jedoch dann zu einer publizistischen und nachrichtendienstlichen Tätigkeit in der West-Berliner Zweigstelle des Ostbüros. Das MfS kam bald dahinter, wer unter dem Decknamen »Bruno Wallmann« um auskunftsfreudige SED-Funktionäre und Mitarbeiter des DDR-Staatsapparates warb. Daß man damals, in der Hochzeit des Kalten Krieges, einem »Renegaten«, der noch dazu in die »Hauptfeind-Zentrale« gewechselt war, alles andere als ein geruhsames und glückliches Leben wünschte, dürfte nicht verwunderlich sein. Und dennoch: Die Schilderung der Vorbereitung, Organisierung und Durchführung der Entführung von Robert Bialek aus West- nach Ostberlin im Februar 1956 läßt den Leser frösteln. Das letzte Geheimnis um Robert Bialek, die Umstände seines Todes, konnten aber auch die beiden Autoren nicht lüften.
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