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»Ich bin nicht dumm und blöd, ich bin Polizist«

Beamtenbeleidigung und die teuren Konsequenzen Von Peter Kirschey

  • Lesedauer: 2 Min.

Es war die blanke Wut, die den wohlleibigen Taxifahrer Dietmar vor den Kadi brachte. Die Vorsitzende Richterin fand das Verfahren sicherlich dumm und blöd, der anklagende Staatsanwalt ebenso und Bösewicht Dietmar sowieso. Dennoch mußte er eben wegen dieser Worte, dumm und blöd, Bekanntschaft mit Justitia schließen. Es lag eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung vor, und was der deutsche Beamte anzeigt, muß auch mit der nötigen Strenge des Gesetzes verfolgt werden.

Es war der 2. Mai des vergangenen Jahres in der Budapester Straße in Tiergarten, als zwei Autos - ein Porsche und ein Taxi-Mercedes - an einer Ampel eine zarte Begegnung hatten. Verantwortlich war wohl der bei Rot leicht zurückrollende Porsche.

Da sich beide Fahrer nicht über die Ursache eines Kratzers an der Taxistoßstange einigen konnten, rückte die Polizei an. Nun nahm das Drama seinen Lauf. Die herbeigeeilten Ordnungshüter registrierten, vermaßen und protokollierten. Dann entschlüpfte dem Polizisten Gerald der folgenschwere Satz, daß der Kratzer nicht von dem Rückroller stammen könne. Es machte das böse Wort von einem

möglichen Versicherungsbetrug die Runde. Taxifahrer Dietmar kochte vor Wut und konnte sich nicht mehr bremsen: »Sie haben doch keine Ahnung, das können Sie doch gar nicht einschätzen. Sind Sie überhaupt Polizist? Sind Sie denn dumm und blöd!?« Schwere Geschütze, fand PM Gerald, der tatsächlich Polizist ist, das schon seit 14 Jahren, und der sich in aller Öffentlichkeit blamiert fühlte. Diese Sätze bildeten das Fundament der Klage. Vor Gericht demonstrierte er als Zeuge seine tiefe Erschütterung: »Also >dumm und blöd< kann man wegstecken, aber nicht, als Polizist angezweifelt zu werden, das geht an die Ehre. Ich bin nicht dumm und blöd, ich bin Polizist.«

Daß der Polizist tatsächlich keine Ahnung hatte, die Aussagen des zweiten Uniformierten sich in vielen Punkten deutlich unterschieden, und daß beide wortwörtlich die selben Sätze gehört haben wollten, was höchst unwahrscheinlich ist, das alles spielte am Ende für die Urteilsfindung keine Rolle. Es blieb bei der angekratzten Ehre. Und so konnte die Richterin nur noch im Namen des Volkes das Verfahren einstellen - gegen eine Geldbuße von 500 Mark.

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