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  • Politik
  • In der Kunsthalle Bielefeld: Caspar David Friedrich (1774-1840) - Der künstlerische Weg

»Eine wahre Anmaßung«

  • Manuela Lintl
  • Lesedauer: 3 Min.

Das skandalträchtige Gemälde »Das Kreuz im Gebirge«

Die Zeitgenossen wurden auf Caspar David Friedrichs ungewöhnliche Werke zum ersten Mal aufmerksam, als sein Gemälde »Das Kreuz im Gebirge«, der sogenannte »Tetschener Altar« von 1808, den berühmten Ramdohr-Streit auslöste. Der Kunstkritiker Basilius von Ramdohr war empört über Friedrichs zum Altarblatt bestimmtes Landschaftsgemälde, das auf einer felsigen Gebirgsspitze, gesäumt von Tannenbäumen, im Gegenlicht der aufgehenden Sonne einsam das Christuskreuz darstellt. Für Ramdohr war es »eine wahre Anmaßung, wenn die Landschaftsmalerei sich in die Kirche schleichen und auf die Altäre kriechen will«.

Die Polemik verbirgt kaum die Angst des konservativen Kritikers vor zeitgenössischen Tendenzen in der Kunst, die die klassischen Gattungshierarchien eindeutig negierten und aufzulösen begannen. Insbesondere die Landschaft, traditionell eine der niedrigeren akademischen Kunstgattungen, eignete sich als Ausdrucksträger der Empfindungen einer Generation von Malern, die sich der erstarkenden Schicht des Bürgertums zugehörig fühlten. Mit großformatigen, symbolträchtigen Ölbildern wie »Abtei im Eichwald« (1809/10) und »Mönch am Meer« (1808-10) erlangte Friedrich, zumindest kurzzeitig, die Anerkennung des Publikums. Die preußische Königsfamilie hatte die beiden ungewöhnlichen Bilder 1810 auf der Herbstausstellung der Berliner Akademie erworben. Dennoch geriet der Künstler bald wieder in Vergessenheit, flaute das Interesse von Kritik . und Öffentlichkeit rasch wieder ab.

Nachdem der Reiz des Neuen abgeklungen und der Skandal nur noch Geschichte war, schienen die Bilder Friedrichs vielen zu monoton, zu schwermütig und in Wiederholungen befangen. 1822 soll Friedrich den Dichter de la Motte-Fouque in einem Gespräch gefragt haben: »Finden Sie mich denn auch so einförmig? ... man sagt, ich könne durchaus nichts als Mondschein, Abendrot, Morgenrot, Meer und Meeresstrahd, Schneelandschaften, Kirchhöfe, wüste Heiden, Waldströme, Klippentäler und ähnliches? Was meinen Sie dazu?« Fouque erwiderte darauf, er denke, daß man »unermeßlich vieles in dergleichen Gegenständen malt, wenn man denkt und malt wie Sie.«

Erst 1807 ging Friedrich von der Sepiatechnik zur Ölmalerei über und schuf seine einzigartigen Sinnbilder. Caspar David Friedrich revolutionierte die Bildsprache. Um das zu zeigen, rückt die Bielefelder Ausstellung von Thomas Kellein das künstlerische Verfahren des Romantikers in den Mittelpunkt. Anhand von 20 Gemälden und 120 Zeichnungen und Sepiastudien wird die Technik und spezifische Methodik Friedrichs nachvollziehbar rekonstruiert.

Dabei geht Kellein nicht chronologisch vor, sondern ordnet die Arbeiten thematisch ein in Bildnisse, Boote und Schiffe, Pflanzen und Felsen, Ruinen, Landschaften, Fensterbilder und sakrale Orte. Kellein will deutlich machen, wie Friedrich seine Bilder »baut«.

Die Studien belegen eine schrittweise erfolgte Reduktion der Bildgegenstände, die in der Endfassung der Gemälde die Funktion von »Meditationsobjekten« erfüllen. Scheinbar endlos erstrecken sich die Bildräume, aufgebaut aus durchlaufenden Flächen, und rücken das Verhältnis von, Mensch und Universum ins rich-

tige Verhältnis. Die oft kargen Landschaften Friedrichs erweisen sich als komponierte »Idealbildnisse«, jedoch nicht im Sinne von Verschönerung, denn die Einzelheiten werden detailgetreu wiedergegeben. Die Idealität liegt im symbolisch-allegorischen Bereich, in der Wiedergabe von Stimmungen und Gefühlen wie Hoffnung, Sehnsucht oder Furcht.

Eine wirksame Bildsprache für das Nicht-Darstellbare zu finden, war die eigentliche Absicht des Malers. Daß die Bil-

der nichts von ihrer ursprünglichen Ausdruckskraft verloren haben, spürt jeder, der ihnen heute gegenübertritt.

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