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- 85. TOUR
Ullrich: »Wollte nicht aufgeben«
Einen Tag nach seinem Einbruch fuhr er wieder in gewohnter Form Der Etappensieger konnte den Gelben Marco Pantani aber nicht abschütteln
Von Andreas Zellmer
Einen Tag nach seinem fürchterlichen Einbruch in Les Deux Alpes schlug Jan Ullrich zurück. Er wirkte wie ausgetauscht und feierte mit einem Millimeterspurtsieg gegen Spitzenreiter Marco Pantani nach einem spektakulären Husarenritt seinen zweiten Etappenerfolg und den Sprung auf den dritten Rang.
In der Manier eines großen Champions attackierte der Toursieger am Dienstag den Italiener, ohne dem Träger des gelben Trikots, der als einziger folgen konnte, auf der 16. Etappe allerdings Zeit abzunehmen. Ullrichs erfolgreiche Attacke zu Beginn der 21 km langen Steigung auf den gefürchteten Col de la Madeleine bewies, daß die Moral des 24jährigen noch intakt ist.
Der gebürtige Rostocker verbuchte in Albertville durch seinen Auftritt auf dem 204 km langen Tagesabschnitt über fünf Alpengipfel neben psychologischen Plus-
punkten vor allem zählbare Resultate. Der nach Les Deux Alpes vor ihm plazierte Bobby Mich (USA) ist 14 Sekunden vor ihm wieder in Reichweite und Fernando Escartin (Spanien) reihte sich im Gesamtklassement jetzt wieder sieben Sekunden hinter den deutschen »Sportler des Jahres« ein. Vor der 17. Etappe, die am Mittwoch wieder drei Alpenpässe in petto hat, sieht die Welt für Ullrich wieder etwas erträglicher aus. Allerdings thront Pantani weiter mit 5:56 Minuten fast unereichbar vor ihm.
»Die Tour ist zwar gelaufen, aber ich hatte mir vorgenommen, auf Angriff zu fahren. Ich gebe nicht auf und wollte mich heute auf diese Weise auch bei meinem Team bedanken. Ich muß Pantani wieder ein Riesenkompliment machen. Ich hätte nicht gedacht, daß er seine Form vom Giro so halten kann«, sagte Ullrich. Pantani gab die Streicheleinheiten zurück und wollte dem Toursieger Mut machen: »Die Tour ist für ihn noch nicht verloren.« »Beide hatten das gleiche Interesse, den
Vorsprung auf Julich und Escartin zu vergrößern. Deshalb klappte die Zusammenarbeit. Jan hat bewiesen, welche Moral er hat«, sagte Teamchef Walter Godefroot. Auf dem Weg zum Ziel hatten beide noch Zeit zu einer Dikussion der Rennsituation, in die sich sogar Godefroot im Begleitauto einschaltete.
Das Tandem Ullrich/Pantani fuhr fast 60 km gemeinsam und sorgte für einen weiteren Höhepunkt, der die Dopingdiskussionen der vergangenen Wochen in den Hintergrund rückte. Schon nach der Superetappe nach Les Deux Alpes hatte der »Figaro«, in den letzten Tagen immer einer der ersten Ankläger beim endlosen Dopingthema, getitelt: »Pantani hat der Tour die Ehre zurückgegeben«. Auf dem Weg in die Olympiastadt Albertville trug auch Ullrich seinen Teil dazu bei, die Atmosphäre bei der 85. Tour de France wenigstens oberflächlich wieder etwas zu reinigen.
Auf dem Gipfel des 2000 m hohen Madeleine hatten Ullrich und Pantani 2:06
min Vorsprung vor der Julien-Gruppe, in der auch Bjarne Riis fuhr. In der Abfahrt riskierten beide Kopf und Kragen, aber wenigstens war die Straße im Gegensatz zum Vortag trocken. Ullrich versuchte alles, aber auch auf dem letzten Flachstück konnte der Toursieger seinen mutmaßlichen Nachfolger nicht abschütteln. Im Spurt in Albertville holte sich der Vorjahressieger seinen zweiten diesjährigen Etappensieg nach dem Zeitfahren in Correze. Ullrich fuhr um jede Sekunde im Gesamtklassement, Pantani hatte nur im Sinn, keinen Meter auf den Telekom-Kapitän einzubüßen.
Vor der Ullrich-Attacke, die ihm am Ende seinen insgesamt fünften Tour-Etappensieg einbrachte, hatte mit Rolf Aldag ein weiterer Telekom-Fahrer von sich reden gemacht. Der lange Ahlener war lange Zeit in einer Dreier-Spitze vertreten. Gemeinsam mit dem Franzosen Stephane Heulot und dem Kasachen Andrej Teterjuk hatte Aldag nach 30 km die Flucht ergriffen. Trotz zweier Stürze des Kasachen, der in engen Kurven bei der Abfahrt von der Straße kam, blieb die Gruppe lange beisammen und erarbeitete sich bis zu 6:15 min Vorsprung.
Aber 5 km vor dem Madeleine-Gipfel war es um Aldag und die anderen geschehen - der Ullrich/Pantani-Expreß stampfte alles in Grund und Boden. Aldag konnte seinen Chef nicht begleiten, um ihm im Finale Windschatten zu geben.
dpa
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