- Politik
- 100 Jahre Metropol-Theater im Konzerthaus am Gendarmenmarkt
Jubelfeier mit Trauerflor
Wenn man gute alte Bekannte nach langer Zeit wiedersieht, ist die Freude groß. So auch am Mittwoch abend im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt. Schwer auszumachen, wer da freudiger erregt war, die auf der Bühne oder jene im Parkett und auf den gefüllten Rängen. Die Geburtstagsfeier »100 Jahre Metropol-Theater« bot Gelegenheit zum Rendezvous. Auf neutralem Boden. Denn das durch die Privatisierungsmachenschaften des Berliner Senats in den Konkurs getriebene Metropol-Theater ist verbarrikadiert, die einstigen Ensemblemitglieder in die Arbeitslosigkeit geschickt. Betreten des Hauses verboten.
Zwar hätte man sich gewünscht, das Jubiläum mit einer glanzvollen Inszenierung im Stammhaus feiern zu können, doch die trotz der in Berlin Regierenden zustandegekommene Gala war dem Ereignis angemessen. Dank des Engagements des Metropol-Theater-Ensembles, seines Freundeskreises, der Solidarität vieler Künstler im Lande und der Initiative der Volkssolidarität, Landesverband Berlin e. V., der die Organisation übernommen hätte.
»Wieder mal ins Metropol!?«, der Werbeslogan aus besseren Operettentagen stand als trotzige Selbstbehauptung über der Gala. Und daß die Akteure dazu bereit sind, war an dem Abend zu hören und zu sehen. Solisten, Chor und Orchester halten sich in Form, sind bereit, auf ihre angestammte Bühne zurückzukehren. Mit Lust, Spiel- und Sangesfreude waren sie bei der Sache. Boten einen kurzweili-
gen Rückblick auf 100 Jahre Operette. Nur gelegentlich drohte Sentimentalität aufzukommen, wehte sanft der Trauerflor. Aber dann gab man sich doch wieder den unsterblichen Melodien hin, die die
Zeiten überlebten. Ein Beweis dafür, daß das Genre nicht verschlissen ist.
Das Programm nahm Wagnerische Dimensionen an. Daß es so kommen würde, signalisierte bereits das Entree. Der Chor der Lindenoper intonierte Wagners »Freudig begrüßen wir die Halle«. Dann ging es Schlag auf Schlag. Gäste und Ensemblemitglieder feierten mit ihrem Publikum. Das hatte seinen Spaß. Ganz
gleich, ob nun Melodien aus »Frau Luna«, dem »Weißen Rößl« oder »Orpheus in der Unterwelt« erklangen. Ungerecht, aus der riesigen Phalanx der Mitwirkenden einzelne herauszuheben. Allen, die sich für den Fortbestand des Theaters engagierten, nicht nur an diesem Abend, gilt das Lob. Wenn auch nicht zu überhören war, daß einige durch die verordnete Zwangspause an Bühnensicherheit eingebüßt haben, sich psychische Belastungen einer Ungewissen künstlerischen Zukunft auf die Stimme legten.
Von ungebrochener Bühnenpräsenz ist jedoch Hans Recknagel. Sein »Wenn ich einmal reich war« aus »Anatevka« wurde zu einem Höhepunkt des Abends. Auch »Hallö, Dolly«, von Gisela May mit Maria Malle im Wechsel vorgetragen, beide hatten die Rolle im Metropol in zwei unterschiedlichen Inszenierungen gesungen, begeisterte das Publikum. Auch Zeitgenossen verstanden es, erfolgreiche Operetten zu schreiben. »In Frisco ist der Teufel los« von Guido Masanetz gehört dazu. Der 84jährige hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst das Orchester zu leiten. Hits aus »Mein Freund Bunbury« sowie aus »Messeschlager Gisela« von Gerd Natschinski erklangen. Auch hier war der Komponist als Dirigent zu erleben. Gelegenheit, ihm mit einem riesigen Rosenstrauß zu gratulieren. Am 23. August feierte er seinen 70. Geburtstag. Seine »Gisela« ist ja nun, dank der Inszenierung der Berliner Neuköllner Oper, wieder im Ohr vieler Mitglieder dieses Theaters sangen daraus »Vergiß nie die Zeit«.
Günter Joseck hatte die musikalische Leitung des Abends. Gemeinsam mit seinem Kollegen Hans Schulze-Bargin sowie den Gästen Robert Haneil, Roman Dostal,
Volker M. Plangg und Roland Seiffarth sorgte er am Dirigentenpult für Wohlklang. Die Musikanten spielten, als gelte es das Leben. Was ja so weit auch nicht hergeholt ist.
Daß zwischen Oper und Operette nicht Welten liegen müssen, machten von der Deutschen Oper Ralf Lukas und von der Komischen Oper Stephan Spiewok hörbar Und Fritz Hille begann schließlich seine Sängerkarriere einst an der Berliner Staatsoper, ehe er zum gefeierten Star des Metropol aufstieg. Einen umgekehrten Weg war der unvergessene Tenor Martin Ritzmann gegangen. Der hatte erst mit Strauß, Kollo, Millöcker brilliert, ehe dann Unter den Linden Mozart, Verdi, Puccini seine Komponisten wurden. Und Maria Malle war als Gast auch bereits in der Staatsoper zu hören. Ge-
meinsam mit Fritz Hille führte sie durch das Festprogramm an diesem Abend. Beide wußten manche Episode aus der wechselvollen Geschichte des »Metropol« zum besten zu geben. Manches hörte sich an, als sei es der Gegenwart entnommen. Wie sich die Bilder gleichen - versagt die Politik, muß die Kunst nach Brot gehen.
Auch als sich die Uhrzeiger allmählich auf Mitternacht zubewegten, hatte das Publikum noch nicht genug, forderte Zugabe auf Zugabe. Bleibt zu hoffen, daß es genau so beharrlich bei der Forderung bleibt, dem Ensemble des Metropol-Theaters seine Wirkungstätte zurückzugeben. Es sollte den Berliner Kultursenator beim Wort nehmen, der, nicht zum ersten Mal, in Optimismus macht und verkündet. »Die Operette in Berlin - sie lebt und sie hat Zukunft.«
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