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  • Politik
  • Die Schauspielerin Christel Bodenstein wird heute 60

Gruß an Grit

  • Martin Mund
  • Lesedauer: 3 Min.

Christel Bodenstein als Grit Foto: ND-Archiv

zu. Ihre wichtigsten Rollen spielte sie Anfang der 60er Jahre, und fast hatte es den Anschein, als sei mit zwei Filmen, die sie gemeinsam mit Manfred Krug

Als Kind habe ich sie geliebt, die schöne Prinzessin mit dem wallenden blonden Haar, das sich in graue Strähnen verwandelte, weil ihre Seele nur aus Trotz und Hochmut bestand. »Das singende, klingende Bäumchen« (1956) hieß jenes DEFA-Märchen, mit dem Christel Bodenstein nicht nur eine Generation minderjähriger Kinozuschauer verzauberte. Damals war sie selbst erst 18 und eine junge Tänzerin, die, so geht die Legende, am Ostseestrand von keinem geringeren als Starregisseur Kurt Maetzig fürs Kino entdeckt wurde. Nicht bei ihm, sondern bei Slatan Dudow trat sie dann erstmals vor die Kamera: als geradliniges Mädchen Hannelore in der Satire »Der Hauptmann von Köln« (1956).

Wenig später, während ihres Schauspielstudiums an der Potsdamer Filmhochschule, kamen weitere Arbeiten hin-

drehte, ein hauseigenes ostdeutsches Traumpaar geboren: »Revue um Mitternacht« (1962) war ein opulentes Musical, in dem es ihr singend und tanzend gelang, einen ungehobelten Komponisten zu bändigen. In »Beschreibung eines Sommers« (1963) stellte Christel Bodenstein die prinzipienfeste, verheiratete FDJ-Sekretärin Grit dar, die durch die Liebe zu einem großspurigen, aber im Grunde seines Herzens aufrichtigen Ingenieur in Schwierigkeiten mit sich und der Partei gerät.

Dieser Film verlangte ihr zum ersten Mal mehr als nur ein schmollmundiges Lächeln und jenen naiv-lasziven Blick ab, der sie eine Zeitlang als ostdeutsche Variation auf Brigitte Bardot erscheinen ließ. Hier war sie tatsächlich als Schauspielerin gefordert. Allein schon eine Äu-ßerlichkeit deutete darauf hin: das lange blonde Haar war verschwunden; plötzlich trat sie mit dunklem Bubikopf auf, so dunkel wie ihre Augenbrauen und ihre Stimme. Hatte sie in »Silvesterpunsch« (1961) noch mit kurzem Röckchen zwischen menschengroßen Reagenzgläsern und anderem technischen Gerät den Fortschritt der Chemieindustrie herbeitanzen müssen, fehlte solch naiv-pathetischer

Nonsens jetzt ganz und gar- Alles war auf die ernsthafte Frage zugeschnitten, wie menschlich die Gesellschaft mit denen umgeht, die sie aufbauen. Von Christel Bodenstein ging, wie vom ganzen Film, eine eigentümliche, herbe Poesie aus, eine Nachdenklichkeit, die leise Melancholie einschloß.

Solche Aufgaben erhielt Christel Bodenstein später kaum jemals wieder Ihr damaliger Mann Konrad Wolf besetzte sie 1966 zwar mit der Titelrolle der Saint-Exupery-Adaption »Der kleine Prinz«; aber der Text ließ sich nur schwer in Bilder fassen; außerdem blieb der Film Jahre liegen, ehe er im Fernsehen ausgestrahlt wurde. 1974 trat Christel Bodenstein mangels guter Angebote aus dem DEFA-Schauspielerensemble aus; dem Publikum blieb sie vor allem mit literarisch-musikalischen Abenden und Chansonauftritten treu. Der Friedrichstadtpalast wurde bald zu ihrer neuen künstlerischen Heimat: Sie spielte im Ensemble »Das Ei« und übernahm Ende der 80er Jahre Regieassistenzen in der Kleinen Bühne. Auch ihre Hoffnung, selbst Regie zu führen, erfüllte sich: u.a. mit einem Claire-Waldoff-Abend und der Revue »Sommernachtsträume«.

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