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Das Wunderwasser von Heviz

Das Heilbad bietet das größte Thermal-Freibad der Welt und vieles mehr

  • Lesedauer: 5 Min.

»Piroschka«-Flair, überall in Ungarn anzutreffen, wie hier in Keszthely an der Strecke nach Budapest

Das Badehaus im Dunst des Hevizer Heilwassers

Fotos: Richter, Hamants

Von Wolfgang Richter

Ausgerechnet der erste Tag des neuen Jahres ist in der RegeLder mieseste: trist und unausgeschlafen, meist trübe, inmitten der Überreste lauter Silvesterfeiern. ND bietet mit einer Leserreise zum Jahreswechsel die Chance, 1999 sehr ungewöhnlich zu beginnen. Besagte Reise führt vom 27 12. bis 3.1. ins ungarische Heviz. Kenner wissen: Der Kurort liegt am westlichsten Zipfel des Balaton-Sees und verdankt seinen weltweit guten Ruf dem heilkräftigsten See Europas. Mit seinen 44,4 ha Wasserfläche ist er sogar das größte Thermalbad unter freiem Himmel in der Welt. Und: Er ist ganzjährig nutzbar Ein Bad im zum Jahreswechsel mindestens 30 Grad (im Sommer 35 bis 38 Grad) warmen Wasser ist nach der Silvesterfeier ganz sicher ein Vergnügen der besonderen Art. Der Nebel über dem Wasser hüllt den See in der kälteren Jahreszeit zudem in eine märchenhaft-gespenstische Atmosphäre.

Schon die alten Römer schätzten die heilende Wirkung des Hevizer Wunderwassers. Ein bei Grabungsarbeiten am Ufer gefundener Altarstein aus jener Zeit ist im Foyer des Hallenbades zu besichtigen. Im Laufe der Geschichte wurden die heilenden Kräfte des Wassers immer vielseitiger und intensiver genutzt. Eine der mittelalterlichen Regeln des Gesundheitswesens lautete: »Das Bad und der Wein schaden der Gesundheit des Körpers, aber das Bad und der Wein geben die Gesundheit des Körpers auch zurück.« Wobei gegen den ersten Teil wohl Zweifel anzumelden sind.

Generaldirektor Miklös Vancsura erklärt die Heilwirkung insbesondere für Gelenk- und rheumatische Erkrankungen mit dem reichlichen Gasgehalt des Wassers - (Schwefelwasserstoff,- Kohlensäure, Methan, Radium) und »der komplexen ei WtfKmiln'rIer der Wärm^r^cfrdie 1 cnemische Zusammensetzung des Wassers, der Schlamm, die Luft, die radioaktive

Strahlung und das Klima eine wichtige Rolle spielen«. Der Quellkrater, aus dem in 37 Meter Tiefe das Gemisch aus hei-ßem und kalten Wasser austritt, speist den See mit etwa 400 Litern pro Sekunde, was dazu führt, daß sich das Wasser alle drei Tage vollständig erneuert, erläutert der Generaldirektor.

Wissen muß man, daß der See wegen seiner Tiefe für Nichtschwimmer wenig geeignet ist. Aber auch die Schwimmer rüsten sich mit Schwimmringen, die überall zu kaufen sind, aus. Als Alternative lädt das große Hallenbad ein. Es ist für den Neuling schon amüsant, die Köpfe der Männer - und nur über sie kann ich berichten, da die Geschlechter streng getrennt baden - an den Innenseiten der beiden Becken (35 und 41 Grad warm) wie aufgereiht aus dem Wasser ragen zu sehen. Schnell gehört man selbst zur Kette und wundert sich über das Gemurmel, das als Echo laut aus der hohen Kuppel zurückfällt. Und ebenso schnell findet man sich in einer Gesprächsgruppe, denn die meistgesprochene Sprache ist deutsch. Staunend nimmt der Unkundige zur Kenntnis, daß hier wohl jeder andere Stammgast ist. Kaum einer, der nicht zum wiederholten Male in Heviz weilte. Ein Herr aus Winterberg berichtete: »Wegen meines Rheumas habe ich viele Heilbäder in Deutschland aufgesucht, aber keins hat mir so geholfen wie das hier « Er käme seit 12 Jahren alle halbe Jahre her

Von Generaldirektor Vancsura ist zu erfahren, daß täglich 4000 bis 5000 Gäste das Heilbad nutzen. Im Sommer waren es schon 7500, die meisten davon Urlauber »Im Jahr betreuen wir etwa 150 000 Kurgäste«, sagt er und hebt die Möglichkeit umfassender medizinischer Behandlung hervor, für die in den Kureinrichtungen allein 25 Ärzte, 60 Masseure und 32 Therapeuten tätig sind. Er ist übrigens selbst der beste Werbeträger für die Heilwirkung des Wassers. »Ich leide unter der Bechterew-Krankheit«, erklärt er, »und wenn ich nicht mindestens alle zwei bis drei Wochen im See schwimme, dann nehmen die Schmerzen enorm zu.«

Heviz lebt von seinem Naturschatz - und von den Gästen, die seinetwegen kommen. Das Städtchen selbst bietet alles, was man von einem Kurort erwartet und protzt mit prunkvollen Villen und neuen, schmucken Häusern, die allesamt Zimmer, Appartements oder Ferienwohnungen zu niedrigen Preisen feilbieten (Appartement in einem Neubau ab 35 Mark). Oberhalb des Städtchens führen alle Wege in die Weinberge, wo die Weinbauern meist ab 16 Uhr in ihre Wirtschaften einladen. Wer dort oben ist, sollte mal in das Kirchlein aus der Arpadenzeit, das aus dem 13. Jahrhundert stammen soll, schauen. Kurz davor hat Weinbauer Ludwig seine rustikale Wirtschaft. Daß er ein Original ist, war schon im Badgespräch zu erfahren, und es müssen viele wissen, denn die wenigen Plätze auf der Terrasse sind immer besetzt. Der Weiße und Rote schmecken am besten mit Ludwigs »Schmalzebrot mit Zwiebel oder Knoblauch«.

Zeit sollte auch sein für einen Abstecher in die nur reichlich fünf Kilometer entfernte Hauptstadt des Balaton, Keszthely Die Stadt mit viel südländischem

Flair stellt im Zentrum und am Ufer den aristokratischen Einfluß (geprägt von der Adelsfamilie Festetics) in ihrer Geschichte heraus. Ansehenswert ist das wunderhübsche Barockschloß, eines der größten Ungarns, mitten in gepflegtem Park. Sonnabends und mittwochs ist in Keszthely großer Markt. Wer sich hier - oder auch in Heviz - niederlassen will, hat die Qual der Wahl. An vielen Häusern steht das Wort »Elado« (Verkauf), und an zahl-

reichen Schautafeln werden Objekte äu-ßerst preiswert angeboten. Zwischen Heviz und Keszthely verkehrt alle 20 Minuten ein Linienbus.

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