I Sibirien Durchs wilde Tuwa-Land
Reiseziel in Rußland für Abenteurer in einer fast unberührten Landschaft
Eine fast noch intakte Nomadenwelt in der in Südost-Sibirien gelegenen autonomen Republik Tuwa
Foto: Brustein
Von Ilja Brustein
Die in Südost-Sibirien, an der Grenze zur Mongolei gelegene autonome Republik Tuwa ist eine der am schwersten zugänglichen und faszinierendsten Regionen Rußlands. Vom übrigen russischen Territorium wird sie durch das Altai- und Sajangebirge sowie durch die undurchdringliche Taiga abgetrennt. Tuwa ist ein Reiseziel für Abenteurer und Individualisten. Hier erlebt man noch eine fast intakte Nomadenwelt und eine reine, unberührte Wildnis.
Dieses Land hat viele Gesichter. Mit der Fläche von i 70 000 Quadratkilometern ist es etwa halb so groß wie Deutschland, hat aber lediglich 308 000 Einwohner, zwei Drittel davon sind Eingeborene - die Tuwiner, ein Nomadenvolk, das sich aus türkischen und mongolischen Stämmen zusammensetzt. Damit ist Tuwa das einzige Gebiet in Sibirien, wo die Ureinwohner noch in der Mehrheit sind und das Leben ihres Landes teilweise selbst bestimmen können.
Es ist ein Nomadenland. Zu manchen Stämmen kann man von der tuwinischen Hauptstadt Kysyl aus mit dem Jeep gelangen, andere sind nur nach mehrtägigem mühsamen Ritt zu erreichen. Ganze Gebiete sind von den übrigen Landesteilen getrennt, genauso wie die Republik von Rußland abgeschnitten ist.
Außer der Hauptstadt Kysyl gibt es in Tuwa nur wenige Siedlungen und nur
zwei geteerte Straßen. Für einen Reiter/ eine Reiterin ist dieses Land aber ein Paradies, denn das Pferd ist für die Nomaden das verbreitetste Transportmittel.
Vom Zentrum des Todscha-Gebietes, Toora-Chem, reitet man bis zu fünf Tage durch die Taiga, um eine Nomadensippe zu erreichen. Was ein Mitteleuropäer hier bereits als Härtetest empfindet, ist für die Nomaden Alltag. Nach einem mehrtägigen Ritt erscheinen die Nomadenzelte fast luxuriös. Schließlich besitzen sie einen Kanonenofen.
Die Todscha-Waldnomaden unterhalten fast keine Kontakte mit der seßhaften Welt. Sie nennen sich selbst »Waldmenschen« oder »Rentier-Menschen«. Die meisten Waldnomaden verbringen ihr ganzes Leben in ihrem Wald, ohne ihn ein einziges Mal zu verlassen. Das ganze Leben dieser Menschen dreht sich um die Rentiere. Sie sind weit mehr als nur »Nutztiere«. Das Ren gibt im Urwald fast alles, was man zum Leben braucht: Felle, Fleisch, Milch. Unsere Gastgeberin Irina Kol gehört zur
neuen Generation. Sie ist 30 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern. Nach der Schule wollte sie das Nomadenleben aufgeben. Sie zog in die tuwinische Hauptstadt Kysyl, mächte dort eine Lehre als Schneiderin und erhielt sogar einen Arbeitsplatz. Doch Irina kehrte schon bald zur Sippe zurück. »Nur hier im Wald, im Gebirge bin ich glücklich. Ich kann nicht ohne Natur leben«, gestand sie.
Die Regierung in Moskau und die tuwinische Verwaltung versuchten zwar seit den 30er Jahren immer wieder, die Nomaden seßhaft zu machen und in eine »einheitliche sozialistische Nation« umzuwandeln, doch wurde die Sowjetisierungspolitik in Tuwa nie konsequent durchgeführt. Tuwa ist heute eine autonome Republik innerhalb Rußlands, und
die Tuwiner verstehen sich als Nachfahren des legendären Dschingis-Khan.
Die Landschaften ändern sich in Tuwa wie in einem Zeitraffer Taiga und Wüste, Tundra und Steppe, Gletscher und Almen - auf einer relativ kleinen Fläche erlebt man hier alle sibirischen Landschaftsformen. Der Süden des Landes ist von einer scheinbar unendlichen Sandvvüste geprägt, durch d'ie noch heute Kamelkarawanen ziehen. Das nordöstliche Tuwa ist vor allem Taiga, sibirischer Urwald.
Im Westen gerät der Besucher in die Welt des Hochgebirges. Mit 3970 Metern ist der Mongun-Taiga der höchste Berg Tuwas. Im Norden gibt es flache Tundra, die ein bißchen an Skandinavien erinnert. Im Zentrum Tuwas erstreckt sich die Steppe, die sich mal saftig grün, mal ausgetrocknet, fast leblos präsentiert.
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