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  • Politik
  • Markus Wolf an Guido Knopp zum Film »Der Dritte Weltkrieg« (heute, 20.15 Uhr, ZDF)

Kein Klischee ausgelassen

  • Lesedauer: 3 Min.

Zur Diskussion des Fernsehfilms »Der Dritte Weltkrieg«, die 22.15 Uhr im ZDF stattfindet, war auch Markus Wolf eingeladen worden. Nachfolgend seine Antwort an den Filmschöpfer, die er uns freundlicherweise zur Veröffentlichung überließ.

Sehr geehrter Professor Knopp, Sie haben mir vorgeschlagen, im Anschluß an den vom ZDF am 1. Dezember ausgestrahlten Film »Der Dritte Weltkrieg« an einer Diskussion teilzunehmen. Dies habe zur Voraussetzung, daß ich »dem Verlauf des Szenarios grundsätzlich zustimmen« könne. Mich erschüttert nicht so sehr die Anmaßung einer derartigen Bedingung, sondern daß Sie in Kenntnis des Films meine Teilnahme für möglich gehalten haben.

Sicher wäre ich bereit und in der Lage gewesen, zu den in der Nachkriegsgeschichte wiederholt gegebenen Situationen etwas zu sagen, bei denen die schlimmsten Szenarien einer militärischen Eskalation bis zum nuklearen

Schlagabtausch denkbar waren. Das Thema der Realität oder Fiktion der gegenseitigen Bedrohung wäre nicht nur interessanter Diskussionsstoff, es gäbe auch ausreichendes Material für eine »historische Simulation«. Allein die in jüngster Zeit in Großbritannien freigegebenen und bisher in Deutschland kaum beachteten Geheimdokumente über die von den Westmächten geplante Operation »Live Oak« könnten dafür eine realistische Grundlage abgeben. Dagegen holt Ihr Film sämtliche Klischees aus der Mottenkiste des Kalten Krieges hervor. Er bedient Emotionen, deren Wachhalten die Überwindung der andauernden Teilung so schwierig macht.

Die Darstellung der Ausgangslage im Herbst 1989 suggeriert die auch vom ZDF verbreitete Unwahrheit neu, das Ausbleiben des Blutvergießens in der, DDR sei ausschließlich auf den Willen des damals in der Sowjetunion herrschenden Friedensretters zurückzuführen. Die Wunden der damaligen Vorgänge, die zur Einverleibung des Territoriums der DDR in das Militärbündnis der NATO führten,

sind noch zu frisch, um derartig leichtfertig Salz in sie zu streuen. Es waren durchaus nicht Betonköpfe, die in Moskau ein anderes Szenario der friedlichen Vereinigung Deutschlands ohne Ausweitung der NATO für möglich hielten. Abgesehen von der Ausgangslage und einäugigen Sicht auf 1989 könnte Ihr Film der Zeit entstammen, als sich 1979/1980 beide Militärblöcke überboten, der anderen Seite die Bedrohung zu unterstellen. Für die NATO lieferten die sowjetischen SS-20 den Anlaß zur Stationierung der Pershing-2 und Cruise Missiles, für Moskau der NATO-Doppelbeschluß für die erstmalige Stationierung atomarer Waffen auf deutschem Boden. Der von der Rüstungslobby inspirierte und von Sternenkriegsszenarien faszinierte USA-Präsident wäre von Ihrem Film begeistert gewesen. Nicht nur, daß der dargestellte Osten ganz seinen Vorstellungen vom »Reich des Bösen« entspricht, die russischen Akteure und der DDR-Oberst werden durchweg von ausgemachten Finsterlingen verkörpert, ganz : ön Gegensatz zu den properen NATO-Offizieren und Diplomaten. Und natürlich gewinnt letztlich die NATO auf dem Schlachtfeld die Oberhand über den maroden davonlaufenden Gegner

Über Ihre anderen Serien kann man, sehr geehrter Herr Professor, streiten und diskutieren. An einer Ihrer Gesprächsrunden habe ich, wie Sie wissen“, teilgenommen. Dieser Film ist aber undiskutabel.

Mit freundlichen Grüßen Markus Wolf

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