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  • Politik
  • Briefe von Traute Richter

Ein Unikat, ein Unikum

  • Ingrid Zwerenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon bald genügte die Bühne der vor Tatendrang vibrierenden Künstlerin nicht mehr, um auszudrücken, was sie bewegte. Sie verfaßte an die 2000 Briefe, aus denen schön detailliert die Geschichte des Staates DDR und der Dresdner Staatsschauspielerin Traute Richter abzulesen ist. Sie schrieb an die Mächtigen in Partei und Theater Die Max-Reinhardt-Seminar-Absolventin kämpfte um ihren Platz in klassischen wie modernen Stücken und für den Platz der Kultur in der jungen deutschen Republik.

Die Schauspielerin hatte weit über 100 Rollen im Repertoire, von Shakespeare bis Dürrenmatt. Vielseitig, wie sie war, setzte sie sich 1954 in einem Brief an Grotewohl für Freikörperkultur ein - mit Erfolg. Der ist ihr nicht immer beschieden. Mancher Verantwortliche auf dieser oder jener Leitungsebene bewies ein beachtliches Talent, beachtliche Talente wie diese Traute Richter zu brüskieren, zu frustrieren, ihre Arbeit zu sabotieren. Bezeichnend ist die Harry-Buckwitz-Episode. Frau Richter war es gelungen, den Frankfurter Theaterintendanten für eine Gast-Inszenierung in Dresden zu gewinnen. Buckwitz, in der BRD als Linker und wegen seiner frühen Brecht-Aufführungen verketzert und angefeindet, erhielt schließlich auch von der DDR einen Korb.

Traute Richter erarbeitete sich ein Vortragsprogramm: »Juwelen der Weltliteratur«, das brachte ihr Beifall ein in der ganzen Republik. Dennoch blieb ein Ungenügen. Im ersten Band ihrer von Peter Biele herausgegebenen und kenntnisreich kommentierten Korrespondenz ist nachzulesen, welche sonderbaren Konsequenzen die sich unterbewertet füh-

lende Schauspielerin zog: Sie bewarb sich um Aufnahme ins Kloster, sei zwar verheiratet gewesen und Mutter einer Tochter, jedoch fest im Glauben - die Äbtissin lehnte dankend ab.

Auch ein anderer Weg in den Himmel blieb Richter versperrt, sie wollte sich in den Weltraum schießen lassen. Notgedrungen mußte die ehrgeizige Mimin sich auf der Erde beschäftigen, 300 Aufführungen von Peter Hacks' Stück über Charlotte von Stein brachten ihr Lob und Anerkennung. Sie schrieb wieder Briefe, fand es mit Recht empörend, daß die weiblichen Theaterschaffenden ein Drittel weniger verdienten als ihre männlichen Kollegen. Sähe ich es nicht schwarz auf weiß vor mir, ich würde es nicht glauben, in meiner Erinnerung ans DDR-Leben schien mir zumindest die materielle Gleichstellung von Männern und Frauen verwirklicht zu sein. Inzwischen hat sich das, zugleich mit der DDR, von selbst erledigt. Den Untergang des Staates, dem Traute Richter freundschaftlich-kritisch verbunden war, erlebte sie nicht mehr 1986 brachte sie sich um, ein Ende, das nicht zu der aktiven, faszinierenden Künstlerin und Briefschreiberin passen will. Ihren Freunden bleibt sie durch die beiden Bände im Gedächtnis, wer Traute Richter nicht kannte, kann daraus viel über sie erfahren.

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