Gute Miene zum Vertrag von Ottawa?
Thomas Gebauer
Der Geschäftsführer der Hilfsorganisation »medico international« ist Mitbegründer der »Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen«, die 1997 den Friedensnobelpreis erhielt
Foto: medico
? Vor einem Jahr wurde in Ottawa das Verbot von Anti-Personen-Minen beschlossen. Sind Sie mit der Umsetzung des Abkommens zufrieden?
Ja und nein. Ja, weil bisher schon 55 Staaten den Ottawa-Vertrag ratifiziert haben und er so am 1. März 1999 in Kraft treten kann. Das ist ein relativ rascher Prozeß gewesen, der uns ermutigt. Nein, weil in aller Welt noch immer über 110 Millionen Minen viel Leid anrichten. Der Prozeß der Entminung und die Versorgung der Opfer, ihre physischische Rehabilitierung wie ihre soziale Reintegrierung in die Gesellschaft, kommen nur schleppend voran.
? 131 Staaten haben den Vertrag unterschrieben, mit den USA, Rußland und China aber wichtige Länder nicht. Können Sie als Kampagne da überhaupt Druck machen?
Ich sehe Möglichkeiten. Und es hat sich ja auch etwas bewegt. US-Präsident Clinton hat signalisiert, daß man dem Ottawa-Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen beitreten könne. Auch China
und Rußland äußerten sich ähnlich. Der Haken: Alle drei Länder sagen, sie brauchten Alternativwaffen für die Personenminen, die sie erst entwickeln müßten. Hier gilt es sehr darauf zu achten, daß z. B. unter dem falschen Etikett »intelligente Munition« nicht eine neue Minengeneration entsteht.
? Ohnehin darf man ja nicht vergessen, daß bestimmte Minentypen, die gerade hierzulande entwickelt und produziert werden, vom Ottawa-Vertrag gar nicht erfaßt werden.
Wir haben den Vertrag nie als endgültiges Ziel betrachtet, sondern immer nur als einen ersten Schritt. Sie haben recht, Anti-Fahrzeug-Minen z. B., eine große Gefahr für Schulbusse, sind weiterhin nicht verboten. Neue High-Tech-Minen werden entwickelt. Darüber muß nun als nächstes verhandelt werden im Jahr 2001 steht eine Überprüfungskonferenz des UN-Minenprotokolls an, das vor dem Ottawa-Abkommen verabschiedet wurde. Hier bietet sich die Möglichkeit, etwa auf das Verbot von Panzerminen zu drängen.
? Auch mit Hilfe der neuen Bundesregierung?
Die haben wir aufgefordert, das Verbot von Anti-Personen-Minen auf alle Minentypen auszuweiten und deutlich mehr Mittel für die Opferhilfe und Minenräumung zur Verfügung zu stellen. Im Koalitionsvertrag findet sich auch ein entsprechender Satz.
? Im Haushalt 1998 sind fast 100 Millionen Mark für die Entwicklung und Beschaffung neuer Minen und militärisches Räumgerät vorgesehen, aber nur 18 Millionen für die zivile Entminung.
Wir haben immer verlangt, daß hier eine Umwidmung stattfindet. Und das tun wir nach wie vor Wir haben auch schon von der SPD Signale erhalten, daß die Mittel für humanitäres Minenräumen und die Versorgung von Minenopfern deutlich aufgestockt werden, von etwa 30 Millionen Mark ist die Rede. Die Grünen haben sich noch auf keine Zahl festgelegt. Wir werden jedenfalls die neuen Haushaltsberatungen genau verfolgen und die rotgrüne Bundesregierung an ihrer Koalitionsvereinbarung messen.
Interview-' Olaf Standke
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.