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64 Selbstverbrennungen von Kurden in drei Monaten

PKK-Verbot Yek-Kom: Fünf Todesopfer auch in Deutschland Von Uwe Kalbe

  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem Tod eines Kurden,in dieser Woche, der sich Anfang November in einem Stuttgarter Gefängnis selbst in Brand gesteckt hatte, ist die Zahl der tödlichen Selbstverbrennungen in den letzten drei Monaten auf 23 gestiegen. 41 überlebten schwerverletzt.

Die erschreckend hohe Zahl von insgesamt 64 demonstrativen Selbstmorden gehe vor allem auf Fälle in türkischen Haftanstalten zurück, jedoch hätten sich fünf Menschen auch in Deutschland getötet, drei davon in Abschiebehaft. So teilte die Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland, Yek-Kom, in einer Pressemitteilung mit. Weitere Selbstmorde habe es in Iran, Syrien, Rußland und Italien gegeben. All diese Fälle stehen im Zusammenhang mit dem Versuch von PKK-Chef Abdullah Öcalan, in Italien unter Preisgabe der eigenen Sicherheit eine politische Lösung des Kurdenproblems zu erzwingen. Für die einen Ausdruck einer Krise der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, die mit dem Attentat auf Öcalan Anfang Oktober und seiner Ausweisung aus Syrien deutlichen Ausdruck fand. Für die anderen Schachzug Öcalans, in die politische Offensive zu ge-

langen. Gewiß ist, daß er eine Entscheidung erzwungen hat und sich hierbei auf diverse Kontakte zu Sympathisanten in Parlamenten westeuropäischer Länder stützen kann.

Und auch in Deutschland versuchen PKK-Anhänger und andere kurdische Vereine, die Chance zu einer politischen Lösung zu nutzen. »Traditionelle« Sympathisanten des kurdischen Befreiungskampfes in den Reihen der deutschen Parteien sehen die Zeit für eine Aufhebung des PKK-Verbotes gekommen. Politiker der Grünen, der PDS, aber auch der SPD, fordern eine internationale Konferenz im Rahmen der EU. In einem Brief deutscher Politiker und Künstler wurde UNO-Generalsekretär Kofi Annan kürzlich zum diplomatischen Einschreiten aufgefordert. Unbestreitbar ist, daß dem PKK-Verbot in Deutschland praktisch die Stigmatisierung einer kompletten Bevölkerungsgruppe, der Minderheit von 500 000 Kurden, gefolgt ist.

Die Selbstverbrennungen, die trotz eines offenen »Verbotes« durch Öcalan geschehen, machen in diesem Kontext auf drastische Weise deutlich, um welchen Preis es für die Kurden geht. Die Deutschen, die solchen symbolischen Solidaritätsbekundungen hilf- und verständnislos gegenüberstehen, können zumindest die Ernsthaftigkeit jener Warnungen ahnen, den PKK-Führer den Gelüsten seiner Todfeinde in Ankara entsprechend

zu opfern, in welcher rechtlich begründeten Form auch immer. In der Türkei setzte nach der Verhaftung Öcalans in Rom eine Welle von Verhaftungen, gewaltsamen Übergriffen des Staates und rechter Gruppierungen sowie der Aufrufe zur Lynchjustiz ein. »Gebt uns seine Leber zu fressen!«, riefen fanatisierte Frauen und Männer in den Straßen türkischer Städte.

In einem Abschiedsbrief hatte der nun verstorbene Kurde keinen Zweifel an seiner politischen Motivation gelassen, Protest gegen die Unterdrückung seines Volkes sowie gegen den Attentatsversuch auf Öcalan deutlich gemacht. Immerhin helfen solche Signale, so nach die Meinung von Yek-Kom, daß das Kurdistanproblem, das tägliche Morden im Südosten der Türkei, nicht aus dem öffentlichen Bewußtsein in Westeuropa verschwindet. In den nächsten Tagen steht die Entscheidung über den künftigen Status Öcalans in Italien an, auch eine Auslieferung in ein drittes Land ist noch möglich. Die Hoffnung auf den Einstieg in eine politische Lösung des Gesamtproblems verbindet Yek-Kom mit Hinweisen auf nachweisbare Kontakte zwischen PKK und Ankara vor allem im zeitlichen Umfeld der einseitigen Waffenstillstandserklärungen der PKK. Die Regierungen der EU-Staaten sollten diese nutzen, um Druck auszuüben, daß daraus ein offener Dialog wird.

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