Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

8000 Hektar, ein Bild vom Welfen-Opa und die doppelte Staatsbürgerschaft Zieht »Prügelprinz« Ernst August von Hannover dem Land Sachsen-Anhalt nun das Fell über die Ohren? Von Rene Heilig

  • Lesedauer: 3 Min.

Hoheiten: Caroline und ihr Prira

Foto: dpa

Der Antrag auf Rückerstattung lese sich wie ein Museumskatalog, sagen Experten. Alles drin: 201 Gemälde, 148 andere Kunstgegenstände, 46 bemalte Kachelöfen und diverse Ritterrüstungen... Als »Sahnehäubchen« kämen noch 8000 Hektar Land hinzu.

Es geht Schlag auf Schlag beim Prinzen. Erst kam er in die bunten Spalten, weil er einen etwas zu eifrigen Fotografen vermöbelte. Dann füllte er die Klatschpostillen, weil er sich mit der Grimaldi-Tochter Caroline von Monaco vermählte. Nun ist Prinz Ernst August von Hannover (44) in »Bild«, weil er ein Gutteil von Sachsen-Anhalt zurückfordert. Und zwar vor dessen Verwaltungsgericht. Denn das in Halle beheimatete Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (LaRoV) hatte dem Blaublut Ende April VÄ% emVlaxes Nein beschieden. Die dor-

tigen Experten meinen noch immer, daß die Enteignung von Ernsts Opa »in Ordnung geht«. Sie wurde nach dem alliierten Recht vollzogen. Nach dem Sieg über die Hitler-Diktatur. Daß die adlige Hannover-Familie dem Treiben der Barbaren keineswegs fern stand, spielte bei der La-RoV-Entscheidung keine Rolle. Der Prinz kam den Richtern nun gleichfalls mit alliiertem Recht. Sein

Großvater Herzog Ernst August zu Braunschweig-Lüneburg (1887-1953) sei Ausländer gewesen und habe damit generellen Enteignungsschutz genossen. Dem habe die Sowjetunion zugestimmt.

Die Weifen-Dynastie reicht durch die Jahrhunderte und quer durch Europa; insbesondere nach Großbritannien erstreckten sich die Familiebande. 1914 bestieg Ernsts Großvater, der die Tochter

des letzten deutschen Kaisers geheiratet hatte, den Braunschweiger Thron. Und sei so Deutscher geworden. 1918 jedoch jagten ihn Revolutionäre wieder vom Regentenstuhl herunter. Also habe Opa die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren. Sagt der Enkel.

Im alten Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz findet sich ein Passus, der einen Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft unmöglich macht. Vielleicht war ja Ernst August mit der Doppelstaatsbürgerschaft gesegnet. In dem Falle wäre die Enteignung nach alliiertem Gesetz wieder rechtens. Doch da Monarchen bekanntlich immer eine Ausnahme beanspruchen, ist auch das im vorliegenden Fall strittig. Verzwickt - und eigentlich ein Studienobjekt für Hörsäle. Allein, es geht nicht nur um alte Schinken mit posierenden Ur-Ur-Großvätern samt Hund und Gattin. Zu DDR-Zeiten wurden die Objekte auf diverse Museen - von der Moritzburg bis zum Blankenburger Museum - verteilt. »Zurück bekommt der Prinz diese Sachen jetzt sowieso nicht.« Selbst wenn das Gericht sie als seinen

Besitz definieren sollte, glaubt man im Magdeburger Kultusministerium. Aktuelles Recht garantiere, daß die Stücke zumindest 20 Jahre in den Museen hängen bleiben. Unentgeltlich. Nicht so sicher war man indessen bei jenen Kunstwerken, die derzeit den Fundus »schmükken«. Gerüchte, daß man Mittel im Landeshaushalt eingestellt habe, um Museen die Chance zu geben, dem Prinzen interessante Exponate »wegzukaufen«, dementierte man in Magdeburg energisch.

Bislang' spielte in Behörden die braune Vergangenheit des Weifenhauses keine Rolle. Obwohl der verblichene Ernst August sehr rasch auf den »Herzog von Cumberland« - den Titel führt der klagende Prinz - verzichtet haben soll, um ja ausreichend nazitreu und »arisch« erscheinen zu können. Immerhin konnte sich des Prinzen Opa 1938 die Privatbank Aufhäuser in München unter den Nagel reißen. Der jüdische Besitzer Martin Aufhäuser wurde von der Gestapo aus dem Dachauer KZ zur Unterschrift des »Vertrages« gebracht. Als Österreich von Hitler zur Ostmark bestimmt wurde, machte sich der bewußte Herzog Ernst August an die zu »arisierende« Allgemeine Baugesellschaft A. Porr AG heran. Das Adelshaus verfügte alsbald über 42,7 Prozent des Aktienpakets. Die Firma arbeitete dann fleißig für die Organisation Todt. In Serbien beispielsweise. 1944 hatte man 1058 ungarische Juden »eingestellt«.

Wann das Verwaltungsgericht entscheiden will, ist noch unbekannt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.