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Eine gottlose Frage

  • Lesedauer: 2 Min.

Von Steffen Schmidt

Ein eigenständiges Unterrichtsfach islamische Religion, wie es der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers angeregt hatte, sei zu teuer, vor allem für Bundesländer mit hohem Ausländeranteil, rechnete CSU-Chef Edmund Stoiber kürzlich seinen Brüdern in Christo vor. Was die Bayern nicht daran hinderte, ihren türkischsprachigen Mitbürgern gemeinsam mit dem türkischen Staat einen solchen Unterricht anzubieten.

Aber nehmen wir mal an, Stoiber hat recht. Da stellt

man sich als gottloser Ossi schon die Frage, warum man den Religionsunterricht in einem modernen Staat nicht ganz aus der Schule herausnimmt, und den Glaubensgemeinschaften selbst überläßt. Wer solche Fragen stellt, outet sich allerdings schon beinahe als Verfassungsfeind, denn Artikel 7 des Grundgesetzes erklärt den Religionsunterricht zum ordentlichen Lehrfach. Und schon 1981 wußten (vermutlich christliche) Kommentatoren des Grundgesetzes, daß dieser Ar-

tikel auch einen Anspruch auf islamischen Religionsunterricht begründen könnte.

Von Politikern wie von Vertretern der türkischen Gemeinde wird ein anderes, weniger formales Argument vorgebracht. Ein staatlicher Islam-Unterricht könne die Kinder muslimischer Eltern von den Koranschulen fundamentalistischer Gruppen fernhalten. Doch gegen Fundamentalismus hilft nur Wissen. So sah das kürzlich auch ein französischer Behördenvertreter bei einem Kolloquium zum gleichen Thema: Die Schule habe

die Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern das Rüstzeug zu geben, sich nach und nach von Fremdbestimmung durch Familie und Gesellschaft, aber auch durch Religion zu emanzipieren.

Doch was haben wir mit diesen Franzosen zu schaffen? Die haben schließlich auch ein Zentralabitur und Eliteuniversitäten.

Von Integration und Toleranz wird auch hierzulande viel geredet. Ohne Wissen über den anderen sind diese Wünsche nicht einzulösen. Und ob der Religionsunterricht gleich

welcher Konfession dieses Wissen vermittelt, ist zweifelhaft. Denn letztlich bestehen alle Religionen aus einem gerüttelt Maß Vorurteilen gegenüber allen Andersgläubigen. Toleranz ließe sich wohl viel eher mit einem interreligiösen Unterricht für alle erreichen, wie er von der Hamburger Schulbehörde gefördert wird. Doch das wird CDU/CSU-Politiker und die Bischöfe der beiden großen christlichen Kirchen wohl zu sehr an das brandenburgische Teufelszeug namens LER erinnern.

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