- Politik
- Die Renft Story »Nach der Schlacht«
Legende in Raten
Legenden machen Lust auf variantenreiches Erzählen. Nach Klaus Renfts Autobiographie »Zwischen Liebe und Zorn«, einem Interviewbuch, herausgegeben von Hans-Dieter Schutt, erschien im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf nun ein zweiter Band über die Klaus Renft Combo. Diesmal ist es »Die Renft Story - von der Band selbst erzählt«, aufgeschrieben von Delle Kriese, einem Historiker, Hochschulpädagogen, Schlagzeuger und, wie es im Buch heißt, »gefragten Studio-Musiker«.
Kriese schreibt über Rockmusik in der DDR (»Zum allgemeinen Verständnis«), er schildert die Geschichte der ersten Kultband der DDR, (»genial, brachial, trinkfest«), die 1975 verboten wurde. Zudem führte er Gespräche mit Bandmitgliedern sowie den Musikredakteuren Luise Mirsch (DDR-Rundfunk) und (das beste Interview!) Olaf Leitner (früher RIAS, heute SFB).
So umstritten Klaus Renft selber sein mag: Er bleibt der immer wiederkehrende Bezugspunkt für diese Story; er ist der Typ, der alles Kaputte, Irre, Wirre dieser Gruppe trug, der alles band und entzweite - und schnell und unweigerlich führen
alle Linien zu seiner eigenen Autobiographie. In der er bei weitem nicht als Intellektueller erschien, aber als existentiell Angegriffener, als Streunender, als hochinteressantes Individuum im Spannungsfeld von persönlichem Freiheitstrieb und staatlichem Programm. In allem unverwechselbar und von jener naiv-rauhen Neigung, sich als Kunstfigur zu sehen, die Heiner Carow zu dem (unerfüllt
gebliebenen) Plan angeregt hatte, Renfts Leben zu verfilmen.
So begegnet einem vieles, was bereits im ersten Buch stand. Hier kommt es gleichsam auf Ebene eines Erdgeschosses daher, ohne Anflug zu Dichte und Aufhebung in einem größeren Zusammenhang. Kriese fällt es schwer, dem Stoff etwas Eigenständiges abzugewinnen zumal auch Interviews mit Cäsar Gläser und Gerulf Pannach nichts wirklich Neues bieten.
Kriese bekennt sich zu O-Tönen; aber das Ergebnis ermuntert zum Streit darüber, ob dies eine Tugend oder eine arge Schwäche des Buches ist. Jedes notierte Interview, Resultat eines Transports von gesprochener in geschriebene Sprache, gerät unweigerlich zum Kunstprodukt, zu etwas Gestaltetem, ja: auch zu etwas dem Original logisch Ent-Fremdeten. Denn Sprache, wird sie zum Manuskript, verliert ihre natürlichen Bezüge zu Ton oder Bild, das Gesprochene büßt (anders als im Rundfunk oder Fernsehen) die Gleichzeitigkeit von Äußerung und Veröffentlichung ein. Das hat Konsequenzen, die Kriese mißachtet, und so holpert es in diesen Interviews; das Ungestüme, Direkte wird nur als das Unsortierte reflektiert, und man gewinnt den Eindruck einer fleißigen, intensiven Materialsammlung - aus der man nun ein Buch machen könnte.
Der Band, benannt nach einem der erfolgreichsten Songs der Gruppe, hat dennoch seinen Sinn, und wenn es nur der wäre: Das Schöne an Legenden ist das Verteilen der Wahrheit auf möglichst viele Köpfe.
Im übrigen: Delle Kriese ist Schlagzeuger von »Monsters Renft«, Nachfolgeband der Klaus Renft Combo - die im Streit mit Resten der Ursprungsgruppe liegt. Nach der Schlacht ist mitten in der Schlacht.
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