Hochverratsprozeß gegen Öcalan begann auf Imrali
| Türkei Schärfste Sicherheitsvorkehrungen/PKK-Chef rief zum Niederlegen der Waffen auf Von Jan Keetman, Istanbul
Unter den denkbar schärfsten Sicherheitsvorkehrungen begann am Montag auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali der Hochverratsprozeß gegen den Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan.
Öcalan auf der Anklagebank Foto: Reuters
Die zugelassenen Besucher mußten sich, um auf die seit Monaten von einem militärischen Sperrgebiet umgebene Insel zu gelangen, Fingerabdrücke abnehmen und fotografieren lassen. Die Fotos wurden zur elektronischen Wiedererkennung gespeichert. Um die 50 Meter vom Gefängnis zum Gerichtsgebäude zu überbrücken, mußte der ständig von Soldaten umringte Angeklagte in ei-
nen Gefängniswagen einsteigen. Im Gerichtssaal nahm er in einem Glaskasten Platz, von dem eine Verständigung nur über Mikrophon möglich ist.
Öcalan, der selbstsicher, wenn auch etwas fahrig wirkte, gab nach der Feststellung der Personalien eine Erklärung ab. Er habe seit seiner Gefangennahme versprochen, ein Leben für den Frieden zu führen, sei weder grober Behandlung, noch Beschimpfung oder Folter ausgesetzt gewesen und teile das Leid der Angehörigen der Gefallenen. Für seinen Anteil daran wolle er sich entschuldigen. Er protestierte gegen das Verhalten Italiens, Rußlands, Griechenlands und Kenias während seiner Flucht. Gleichzeitig rief Öcalan die PKK-Kämpfer auf, ihre Waffen niederzulegen. »Gebt mir und der PKK eine Chance. Ich werde sie (die PKK-Kämpfer) innerhalb von drei Monaten aus den Bergen holen«, sagte er
Die Linie der Verteidiger hatte am Wochenende Anwalt Ercan Kanar dargelegt: Er entschuldige Gewaltaktionen nicht, aber beide Seiten hätten Fehler gemacht. Der Prozeß sollte in eine Plattform für eine friedliche Lösung verwandelt und nicht zu einem normalen Kriminalfall reduziert werden, der von Rache und Haß geprägt sei. »Es wird nur zum Nutzen der Türkei sein, wenn man die wirklichen Gründe des Konflikts analysiert und von den Methoden Abstand nimmt, die in diesem Konflikt angewandt wurden.« Die Verteidigung beantragte, den Prozeß zu verschieben, damit durch eine Änderung des Gesetzes über die Staatssicherheitsgerichte ein rein ziviles Richtergremium verantwortlich würde. Premier Ecevit hatte gesagt, daß die neue Regierung zu so einem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderten Schritt bereit wäre. Der Antrag wurde abgelehnt. In mehreren deutschen Städten, so Berlin und Köln, gab es am Montag Demonstrationen von PKK-Anhängern. In Bern kamen 3000 Kurden zusammen. Unterdessen wurde bestätigt, daß das Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Tod von vier Kurden beim Sturm auf Israels Generalkonsulat in Berlin eingestellt wird. Kommentar Seite 4
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.