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  • Politik
  • Erinnerung an Charles Laughton

Glücksfall von Schauspieler

  • Horst Knietzsch
  • Lesedauer: 3 Min.

Millionen haben diesen Schauspieler in dem Billy-Wilder-Film »Zeugin der Anklage« (1958) gesehen, und sie fanden den Dicken mit dem runden Gesicht und den wulstigen Lippen hinreißend. Wie der Staranwalt Sir Wilfrid Robarts einen des Mordes Angeklagten verteidigt, durch den Meineid der Ehefrau einen Freispruch erzwingt, aber schließlich doch der Verlierer ist, das war eine Sternstunde des kriminalistischen Kinos der fünfziger Jahre. Das Quartett Charles Laughton, ? Marlene Dietrich, Tyrone Power und Elsa Lanchester, Laughtons Frau, und die pointierte Regie Wilders ließen dieses Lichtspiel nach einem Bühnenstück von Agatha Christie zu bester Kinounter-

haltung werden. Wilder über Laughton: »Er war der Glücksfall eines Schauspielers, der stets auf vollen Touren lief, ständig im Zustand höchster Anspannung und schauspielerischer Erregung war. Und aus dieser Überfülle heraus bot er mir seine Versionen an. Das ist das Schönste, was einem Regisseur passieren kann.«

Ältere unter den Kinogängern können sich vielleicht noch an den Schauspieler Laughton in Kinofilmen der 30er Jahre erinnern (»Wenn ich eine Million hätte« ,1932; »Das Privatleben Heinrich VIII.« , 1933, »Die Elenden« , 1935; »Rembrandt«, 1936; »Der Glöckner von Notre-Dame«, 1939 Vielen war aber erst nach 1945 durch diese und andere Produktionen eine Begegnung mit dem faszinierenden Schauspieler möglich. Wie er den Glöckner Quasimodo als ein Wesen mit furchterregendem Antlitz, aber tiefen

Foto:ND-Archiv

menschlichen Gefühlen in dem Film von William Dieterle gespielt hat, hat sich tief in mein Gedächtnis eingegraben. In keiner anderen filmischen Adaption des Romans »Notre-Dame de Paris« von Victor Hugo ist es gelungen, dieser dichterischen Gestalt romantischer Phantasie die gleiche humanistische Würde zu geben.

Ein Glück für uns, daß Charles Laughton, der Sohn eines britischen Ho-

teliers und vor 100 Jahren, am 1. Juli 1899 in Scarborough geboren, nicht endgültig in die Fußstapfen des Vaters getreten ist. Die Ausbildung als Kellner hatte er 1916 schon angetreten, als er für zwei Jahre in den Krieg ziehen mußte. Dort hat er entsetzliche deutsche Gasangriffe überlebt. Die Arbeit im Hotel der Familie blieb danach nur ein mehrjähriges Zwischenspiel. 1925/26 besuchte Laughton die Royal AcademyofDramatic in London, absolvierte sie mit Auszeichnung. Bühne und Film boten ihm schnell Aufgaben. 1932 debütierte er am Broadway, und die Paramount in Hollywood nahm ihn unter Vertrag. Alternierend arbeitete er am Londoner Old Vic und auf amerikanischen Bühnen. 1937 verlegt er sein Arbeitsfeld vollends in die USA.

Charles Laughton zählte in den USA zahlreiche deutsche Emigranten zu seinen Freunden. Mit Brecht schrieb er 1943 eine Übersetzung und Bühnenfassung des »Galilei«, 1947 bei der Aufführung in Beverly Hills spielte er die Titelrolle. 33 Jahre war er, obwohl homosexuell, mit der unkonventionellen Schauspielerin Elsa Lanchaster verheiratet. Am 15. Dezember 1962 ist Charles Laughton, ein Jahrhündertschauspieler, in Hollywood an Krebs gestorben.

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