Kubanische Flüchtlinge gelten als Ärgernis
Anerkennung von Asylbewerbern in Deutschland ist selten, Mitleid hält sich trotzdem in Grenzen,,- ..?„.?.,„,,., ... ..„., -.,. ?
Von Uwe Kalbe
Einem Asylbewerber aus Kuba ist es gelungen, in Deutschland als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Das ist eher die Ausnahme.
Der zuständige Mann im Referat des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFI) bedauert: Ja, schon - das ist die richtige Abteilung. Doch die Fälle aus Kuba sind so selten, daß sie von ihm nicht extra erfaßt werden. Dies sei überhaupt die erste Anerkennung eines Kubaners, lautete die erste Meldung am Montag. Das ist nicht ganz richtig, auf den ersten Blick jedoch schien es durchaus möglich. Von 1995 bis zum Ende letzten Jahres registrierte das Bundesamt insgesamt 468 Asylanträge von Kubanern. 1997 waren
'es mifl42'ein paar mehr als in den übrigen Jahren. Im genannten Zeitraum wurde 38 Personen der Status »politischer Flüchtling« zuerkannt.
Im vorliegenden Fall hatte der kubanische Asylbewerber nach seiner Ablehnung durch das Bundesamt Klage beim Verwaltungsgericht Potsdam geführt. Mit Erfolg. Der Mann, in Kuba als Rechtsanwalt tätig, hatte - selbst Regierungskritiker - Gleichgesinnte juristisch vertreten. Er machte geltend, staatlichen Repressionen ausgesetzt gewesen zu sein, bevor er 1994 nach Deutschland einreiste. Nun muß das Bundesamt seine Entscheidung revidieren, dem Kläger Asyl gewähren. Meist jedoch geht die Sache anders aus.
Weniger als andere Flüchtlinge können Kubaner auf Toleranz hoffen. Selbst Kritiker der Asylgesetzgebung Deutschlands wenden sich ab; gälte das Gegenteil doch als Eingeständnis, daß Kritik an der weltweit letzten revolutionären Insel berech-
tigt wäre. Die deutschön Behörden wiederum bewerten Kuba - anders als offizielle politische Mißbilligungen häufig glauben machen könnten -nicht als einen Staat, auf den die asylrelevanten Paragraphen des Ausländergesetzes zutreffen. Für beide Seiten gilt: Die Bewertung des Systems in Kuba wird über das persönliche Schicksal der Flüchtlinge ge- ' stellt, diese werden instrumentalisiert statt als individuelle Fälle beurteilt.
Immerhin registrierte die Menschenrechtsorganisation Amnesty international im Jahre 1998 mindestens 350 politische Gefangene in Kuba, »zu denen etwa 100 gewaltlose« Personen gehörten. Zehnmal gaben Polizisten tödliche Schüsse auf Zivilisten ab. Fünfmal wurden Todesurteile vollstreckt. Vier Mitglieder einer studentischen Dissidentengruppe, die im Juli 1997 verhaftet wurden, warteten Ende 1998 noch immer auf ihr Gerichtsverfahren. Und der Strom von Flüchtlin-
“'gen', ! die auf Bootön'die ÜSÄ zu erreichen versuchen, will nicht versiegen. Die USA, seit Jahrzehnten erklärter Feind des kubanischen Staates, sorgen dafür, daß diese Menschen nicht weit kommen. Erst am Wochenende ertrank eine Frau, nachdem ihr Kahn von der USA-Küstenwache gerammt worden war Ein weiteres Boot wurde am Montag aufgebracht, die Insassen dürften schon abgeschoben sein. Allgemeine historische Glaubenssätze werden der konkreten Lage von Menschen nicht gerecht. Ebenfalls in zweiter Instanz gelang es einem Kubaner in Brandenburg, als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Er ist Homosexueller und Anhänger einer afrokubanischen Religionsgemeinschaft - für sich genommen beides keine Asylgründe, weil in Kuba nicht unter Strafe gestellt. Der Verwaltungsrichter stellte jedoch in Rechnung, was das Bundesamt als Erstinstanz ignoriert hatte. Daß Homosexu-
elle mit besonderem Mißtrauen befrachtet werden und, sobald zu dieser Veranlagung noch andere nicht-gesellschaftsnormgerechte »Auffälligkeiten« kommen, »grundlegend in zweierlei Hinsicht willkürlicher Behandlung ausgesetzt« sind. Der Mann hatte geschildert, benachteiligt, mehrfach festgenommen und geschlagen worden zu sein. Das kubanische Recht sieht den Straftatbestand der »Gefährlichkeit« vor, der so willkürlich gehandhabt wird wie er formuliert ist. Unter Bezug auf Berichte von Amnesty und des Auswärtigen Amtes wird konstatiert, daß Arbeitsplatzverlust, Gewalttätigkeiten von Seiten staatlicher Organe, faktisches Berufsverbot oder Ausschluß aus der kommunistischen Partei bereits häufig Folge waren und daher bei einer Abschiebung einkalkuliert werden müssen. Für den Richter Grund genug, den Kubaner als Flüchtling anzuerkennen.
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